Er kommt, er kommt, er kommt

■ Weihnacht: Haushaltsberatungen der Seele im Dom zu Bremen

Dritter Advent. Tochter Zion, freue Dich. In Remscheid rieselt den Leuten leise die amerikanische Übungsmunition in Weihnachtsbäckerei und Tannengrün. In Armenien ist der jüngste Tag schon angebrochen. Derweil feiert unser Heiland zum 1988. Mal Kindergeburtstag. Decken wir also den Mantel der Alle-Jahre-wieder-Menschheitsfreude über die Katastrophenstimmung und halten wir's mit Pastor Daugelat, der uns am Sonntag ausdrücklich nicht mit schlechten Nachrichten die nächstenliebliche Laune verderben wollte. Pastor Daugelat predigte von Koriander in der Nase, von Lichterschein in den Augen, Glühwein im Kopf und Lebkuchen im Herzen. Oh, du fröhliche Weihnachtzeit.

Weihnachten - Was ist das? Ein rituelles Kontrastprogramm der Innenwelt gegen die Katastrophen der Außenwelt? Ein straff organisiertes „Einlullprogramm“, wie es der Pastor ausdrückte, mit Christbaumkugeln gegen Zeitungsschlagzeilen, Rauschgoldengeln gegen Tiefflieger vom Himmel hoch und einer Tasse Verwöhnaroma im Tannengrün gegen Stader Kühlkreislöcher? Gegen fachkundigen Rat, so weiß der Pastor aus einer jüdischen Legende zu berichten, schuf der Herrgott am sechsten Werktag seiner 40-Stunden-Schöpfungswoche den Menschen. Seine erste Tochter, die Weisheit, war dagegen. Die Menschen, so riet sie Gottvater, würden wie Wahnsinnige unter den übrigen Geschöpfen wüten. Auch die zweite Tochter, die Gerechtigkeit, beschwor ihren Vater, das göttliche Heimwerkern nach fünf gewerkschaftlich wünschenswerten Werktagen einzustellen: Die Menschen möchten sich allenfalls gegenseitig die Schädel einschlagen. Die dritte kriegte ihren alten Herrn doch noch rum, die Liebe. Und wie die letzte gute Fee im Dornröschen versprach sie, unter die Menschen zu gehen und das Schlimmste zu verhüten.

Nun haben die beiden ersten irgendwie recht behalten. Irgendwie recht hat aber wohl auch der Pastor, wenn er bekennt, er habe keine Lust, immer „engagiert“ zu sein, keine Lust auf ständige Tiefschläge. Recht hat er, wenn er mal ein bißchen Erholung, leise In-sich-Verkrochenheit in Anspruch nimmt. So recht überzeugend mochte zwar sein einziges Trostversprechen des „Alle-Jahre-wieder-kommt-das -Christuskind“ gegen die immer neuen Hiobsbotschaften nicht ausfallen, und die zweitausend Jahre alten Bibelversprechen unterliegen schon argem Verschleiß gegen den Erfindungsreichtum jeder Gegenwart zu ihrer Demontage. Aber innenweltlich, sozusagen im psychointernen Kräftehaushalt, läßt sich vielleicht nur so Balance halten. Gehen wir also hin und basteln zur Abwechslung ein paar Strohsterne, backen ein Blech Zimtsterne und stecken rote Kerzen an die Tannenbäume.

K.S.