Seh'n oder Nichtseh'n

■ „Nase vorn“ am Samstag im ZDF: Post-modernes Rubbeln mit Frank Elstner

Der nette Herr Elstner, der Typ von der Postfiliale nebenan, ist doch ein wirklich guter Kamerad: Da hat er nicht nur sein „Wetten, daß...?„-Patent - wie er selbst sagen würde: „meine Schooo“ - an den Konkurrenten Thomas Gottschalk abgetreten, nein: Jetzt hat er am Samstag auch noch verraten, daß Günther Jauch nächstens die Elstner-Schooo „Menschen“ übernehmen darf. Aber er selbst, der alerte Unterhaltungsberater im öffentlich-rechtlichen Dienst, hat nun am Samstag doch keinen Zweifel darüber aufkommen lassen wollen, daß nur einer mit seiner „Nase vorn“ sein soll: Frank Elstner.

Spiel, Rubbelspaß und Unterhaltung. Gewinne natürlich auch. Vati, Mutti, Tanten und Onkels, Oma, Opa und die Frau Nachbarin - sogar der Nachwuchs, sofern er Vater, Mutter und unsere Regierung ehrt - alle sind mit dieser charakterlich einwandfreien Show gemeint. Keine Schweinigeleien wie beim beliebten Schmierlümmel Dieter Thomas Heck, nicht die indiskutable Unfähigkeit des hektisch grinsenden Hefeteigkloßes Lutz Ackermann, nicht der müpfige Boutiquenlook, in dem Thomas Gottschalk von sich reden macht, und auch nicht das hirnfern-lallende Wirken von Michael Schanzes „Flitterabend“. Nein, bei Elstner geht alles ganz dösig und sutsche piano zu.

Piano, pianissimo zieht sich der Abend hin mit den Paarungen aus Prominenten und Saalkandidaten, mit Publikumsbeteiligung per Lämpchen: „Wer gegen Atomenergie ist, macht mal bitte das Lämpchen an“, sagt Elstner. Und schon leuchten, wie der Computer mitteilt, 100 Prozent der Lämpchen auf. „Sie müssen natürlich wissen“, wendet sich Elstner an die Kamera, „das ist nicht repräsentativ.“ Nein, Gott bewahre. Nichts gegen die Regierung und ihre Politik, denn schließlich sitzt einer ihrer unfähigsten Vertreter als Elstners Allianz-Partner im Publikum: Der hochverschuldete Schneckenpostminister und Rubbelmäzenat Schwarz-Schilling, mit dessen unbürokratischer Hilfe all die Millionen Rubbelkarten für die Frank-Elstner -Show mit den letzten Telefonrechnungen verschickt worden sind. Dafür darf der unansehnliche Klotz auch auf die Bühne und sich an der „Ermittlung des Rubbelfelds“ beteiligen.

Aber fragen Sie mich jetzt bloß nicht nach dem unterhaltsamen Sinn des Spiels. Nur daß dauernd das Telefon klingelt und im Zusammenhang damit vom Sieger des „Nase -vorn„-Spiels auf der Bühne mit einem Eiskratzer Geldsummen errubbelt werden, hab ich behalten können. Und daß zahllose Sachpreise für ungerubbelt gebliebene Deutsche, Schweizer oder Österreicher winken. Sachpreise, von der Bundespost gestiftet, wie Nostalgie-Briefkästen, gelbe Fahrräder oder sonstwas in der Art. „Manche werden sich vielleicht jetzt fragen: Was tut ein Politiker in einer Unterhaltungssendung?“, sagt Elstner und stellt sogleich die Gegenfrage: „Warum sollte ein Politiker nicht in einer Unterhaltungssendung auftreten? Schließlich hat auch die Post die 'Nase vorn‘.“ Schwarz-Schilling aber hat offensichtlich nicht nur die Nase, sondern auch gleich das Hirn ganz vorn: Auf Elstners Frage, wie er, Schwarz -Schilling, vom Sinologie-Studium auf die Post verfallen wäre, sagt der: „China ist gelb und die Post ja auch.“

So braucht einem um die Zukunft von Elstner nicht bang zu sein: Die Unterhaltungsshow hat Öffnungszeiten, die Post ja auch. Wer sich also lang genug abgerubbelt hat, kann immer noch Briefmarken verkaufen gehn.

Sybille Simon-Zülch