Viel Liebe um nichts

■ Viel Programm und wenig Party: „The Sentimental Lovers Party“ im Kulturzentrum Lagerhaus am Samstag konnte alte Party Lovers-Hasen sentimental werden lassen

Was denn eine „Sentimental Lovers Party“ nun genau sei, wissen sie selbst nicht so recht, verkündeten die beiden Conferenciers gleich zu Beginn des Abends, und so ganz klar war das wohl auch um 1 Uhr nachts noch keinem. Was es nicht war, kann man besser sagen: offensichtlich hielt kaum jemand im Publikum diese Veranstaltung für ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem es lohnen würde, sich ordentlich in Schale zu werfen. In jeder Kneipe im Viertel hätte man peppiger gestylte Saturday Night Lovers finden können; als mir unsere Fotografin eine Blume ins Knopfloch steckte, kam ich mir gleich unangemessen overdressed vor. Zum outfit paßten die Gesprächsfetzen, die man so aufschnappte: „Hast du die ABM-Stelle bewilligt gekriegt?“ oder „unsere Kindergruppe sucht immer noch Räume“ war da schon das Aufregenste.

Die Stimmung war Anfangs entsprechend kühl, das Programm zog sich dahin und war nicht angetan, das Volk zum Rasen zu bringen. Zwei „Hausbands“ des Lagerhauses machten solide Partymusik: die „Swinging Starlights“ mit Sängerin Evelyn Gramel brachten Evergreens von den 30er Jahren bis Paul Simon zum Besten, und „Talking Bar Nights“ spielten Jazz und Bluesstandards, aber die Sets gerieten zu lange, und es war zu sehr reine

Zuhörmusik; als ein vereinzelter Sektkorken knallte, glaubte man fast, ein empörtes Psst-zischen zu hören. Beide Bands hatten keinen Drummer, vielleicht war das der Grund, warum es kaum losging und der richtige Bums fehlte.

Dabei hatten sich die Veranstalter redlich Mühe gegeben, der Raum war festlich geschmückt, das Licht war gut, und unter den Acts des Abends gab es nur nur eine Pleite: die „Mobile-Steptanzgruppe“ war so unbeholfen, unrhythmisch und verkrampft, aber fand sich zugleich offensichtlich selber ganz großartig: das entsprach genau dem, was sich die Amerikaner unter einer deutsche Steptanztruppe vorstellen würden.

Ein scheinbar allen außer mir bekannter Fesi Fesenfeld trug das Adventsgedicht von Loriot vor, da kam nach elf Uhr das erste Mal Stimmung auf. Dann wurde es sogar noch besser: ein Kurs für Standardtänze hielt einen Wettbewerb ab, und ausgerechnet die Karamellgringos vom Theatre du Peng bildeten die Jury. Da passierte auf einmal in fünf Minuten mehr als in den vier Stunden davor. Diese Tänzer waren sympathisch, auch und gerade wenn nicht jeder Schritt klappte, und die Jury war so mit sich selbst beschäftigt, daß man garnicht wußte, wohin man gucken sollte. Dann zogen die Tänzer das Publikum auf die Tanzfläche, und end

lich um zwölf Uhr durften die Gäste aufstehen und mitmachen. Ganz kurz gab es dann wirklich gute Partyathmosphäre, und wenn die Organisatoren einfach alles hätten weiterlaufen lassen, hätte sich noch alles zum Guten wenden können. Aber es gab ja immer noch das Programm.

Nach einer wirklich witzigen Preisvergabe kam die Umbaupause, selbst der Conferencier meinte, daß würde nun langsam langweilig. Ein paar Unverdrossene trauten sich noch, quasi illegal, zu tanzen, aber da brach schon gleich die Musik ab und wir mußten wieder zugucken, wie andere Spaß machten. Das waren dann zwar, als einzige Vollprofis des Abends, noch mal zwei vom T.d.Peng, mit einer Parodie aufs klassische Ballett, aber auch wenn sie noch so komisch waren, wirkten sie zu diesem Zeitpunkt als Stimmungskiller. Danach erholte sich zwar die Party wieder zaghaft, und um ein Uhr wurde kräftig geschwoft - Saturday night bleibt Saturday night - aber ein Partylover hätte hier schon etwas sentimental werden können.

Willy Taub