Ausländer werden am Fließband verwaltet

■ Eindrücke von der neuen Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer / Helle Räume können nicht die demütigende Behandlung wettmachen / Eine junge Frau wehrte sich erfolgreich gegen die Schikane / Dankesbrief der Ausländerbeauftragten / Bei der Innenverwaltung wurde gemauert

Am Friedrich-Krause-Ufer hört Berlin auf, Weltstadt zu sein. Hier, auf einem Stück Weddinger Niemandsland, befindet sich die neue Ausländerbehörde. Im Umkreis von einem Kilometer lösen sich Menschen fremder Nationalitäten aus der vorbeigehenden Menge und gehen auf ein dreistöckiges Gebäude zu. Es ist von einem hohen Zaun aus massivem Eisen umgeben und wirkt wie eine Mischung aus Gefängnis und Krankenhaus. Am Eingang stehen die Leute Schlange, zeigen dem Pförtner ihre Ausweise und bekommen Person für Person eine Nummer. Wie im Takt eines Fließbandes stößt das Gebäude dieselbe Zahl von Menschen wieder aus.

Seit über einem Monat beherbergt der Bau die über 200.000 Akten der in Berlin lebenden Ausländer. Nachdem die Asylstelle in der Torfstraße im letzten Jahr in Flammen aufging und die Ausländerpolizei in der Puttkammerstraße aus allen Nähten platzte, entschloß sich die Innenverwaltung, alle sogenannten „Ausländerangelegenheiten“ zu zentralisieren.

Viele sehen in solch einem eigenständigen Gebäude einen weiteren Schritt in die Ausgrenzung - auch wenn die neuen Warteräume heller sind und man nicht mehr über eine krächzende Anlage beim - falsch ausgesprochenen - Namen aufgerufen wird, sondern per Gong auf einer elektronischen Anlage eine Nummer erscheint. „Warum“, so fragt die türkische AL-Abgeordnete Celebi-Gottschlich, „können Immigranten ihre Angelegenheiten nicht wie die Deutschen bei den betreffenden bezirklichen Meldestellen regeln?“

In den überfüllten Warteräumen wartet man Stunde um Stunde auf seine Nummer. „Als Ausländer hat man keine Termine, keine Verabredungen, keinen normalen Tagesablauf wahrzunehmen“, bemerkt Clara Mavellia, eine Doktorandin, sarkastisch.

Zu den namenlosen Nummern geworden sind nicht nur die Ausländer. Auf den Türschildchen der Angestellten steht unter wechselnden, geheimnisvollen Anordnungen von Ziffern und Buchstaben immer nur „Sachbearbeiter“ - selbstredend stets mit der männlichen Endung. Ab und zu schwingt eine der Türen auf und heraus eilt eine Frau mit einem Stoß von Akten im Arm. Einen kurzen Moment lang kann man dann riesige Regale sehen. Dort lagern all die Angaben zu befristeten und unbefristeten Aufenthaltserlaubnissen.

Clara Mavellia wollte den Namen ihres Sachbearbeiters wissen, weil er es ablehnt, die ihr zustehende unbefristete Aufenthaltserlaubnis auszustellen. „Er weigert sich, seinen Namen zu nennen. Dabei weiß er alles über mich: wo ich wohne, wie lange und was für eine Miete ich bezahle, wieviel ich verdiene, wie lange und wofür ich promoviere, wie alt ich bin und wo ich geboren wurde..., aber ich darf nicht einmal seinen Namen wissen.“ Clara Mavellia beharrt jedoch, will ein Gespräch mit dem „Chef“ und bekommt am Ende tatsächlich die unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Sie braucht nicht mehr zur Ausländerbehörde.

Sie hatte den Mut, einen offenen Beschwerdebrief an den Regierenden Bürgermeister zu schreiben. Ihr Brief hat einen Wirbel in der Innenverwaltung ausgelöst. Die ihr angeschlossene Ausländerbehörde streitet alles ab. Die kompetenzarme Ausländerbeauftragte dagegen, der die Paragraphenreiterei der Innenverwaltung ohnehin nicht behagt und die sich für unbürokratischere Verfahren einsetzt, hat sich für Claras Mavellias Brief bedankt.

E.K.