TV-Europaweit

■ Europäisches Medienmonopoly auf dem Weg zum Binnenmarkt 1992

Wenn im Jahre 1992 die europäischen Grenzbäume fallen, dann hat das nicht nur Konsequenzen für die Vermarktung von französischem Käse und bundesdeutschen Autos, sondern auch fürs Fernsehen. Die Problematik des grenzüberschreitenden TVs ist aber von der Öffentlichkeit bisher kaum zur Kenntnis genommen worden. Dabei streiten sich seit der Veröffentlichung des Grünbuchs der Europäischen Gemeinschaft über Fernsehen in Europa 1984 die EG und der Europarat, zu dem Nicht-EG-Länder gehören, um Richtlinien. Die EG will Rundfunk als Dienstleistung und damit als Wirtschaftsgut behandeln, mit der Zielsetzung, den Kommerzfunkern kulturelle Auflagen oder Werbebeschränkungen zu ersparen. Bisher forderte der Europarat dagegen stärkere Regelungen um kulturelle Vielfalt, um ein Ausufern der Werbung zu verhindern. Auch wurde eine deutliche Quotierung zugunsten europäischer Medienprodukte angestrebt.

Die Bonner Regierung kam in diesem Streit zwischen alle Stühle. Einerseits unterstützt sie inhaltlich die EG -Regelung, andererseits aber argumentieren die für unsere Medienpolitik zuständigen Länderregierungen gegen eine Ausweitung der EG-Medienkompetenz. Hinzu kommt, daß die bundesdeutschen Kommerzprogram- me SAT1 und RTL-PLUS ein massives Interesse an Ausstrahlungsmöglichkeiten in den Europaratsländern Österreich und Schweiz haben. Um dort problemlos senden zu dürfen, sind die Veranstalter für eine gütliche Regelung bei gleichzeitiger Aushöhlung der Forderungen des Europarates. Die Kohl-Regierung entsprach diesen Wünschen, indem sie die Europaratslinie unterstützte, aber massiv auf einen Kompromiß mit der EG hinarbeitete.

Nun ist die Kuh vom Eis, da sich bei der letzten Konferenz die Medienminister des Europarats am 23. und 24.November in Stockholm dem Druck der EG-Kommission und der Kommerzfunker gebeugt haben. Aufgegeben wurde die Ratsforderung, Spielfilme nur einmal durch Werbung unterbrechen zu lassen. Jetzt werden bis zu drei Werbeblöcke pro Film erlaubt. Bei Serien und Unterhaltungsprogrammen darf sogar alle 20 Minuten geworben werden, wobei der Rat außerdem eine leichte Unterschreitung dieses Zeitlimits tolerieren will. Auch die Forderung nach Quoten für europäische Produktionen wurde faktisch außer Kraft gesetzt, da die schrittweise Einführung nunmehr am Kriterium der Durchführbarkeit orientiert und mit angemessenen (!) Mitteln betrieben werden soll. Im Klartext: die Kommerzfunker bestimmen, wie diese Quotierung real durchgeführt wird, da ihr wirtschaftliches Drohpotential und die schwammigen Formulierungen einer Kontrolle und Durchsetzung der Richtlinie keine Chance lassen. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Kabel und Satellit, Jürgen Doetz (SAT1) dankte dementsprechend der Bundesregierung auf einer Pressekonferenz am 8.Dezember in Bonn für ihr Engagement. Nun bestünde für die Kommerzsender die „Chance des Aufbruchs zu neuen Werbeformen“.

Der deregulierte europäische Fernsehmarkt ist nun frei für die Medienmultis Bertelsmann (RTL-PLUS), Leo Kirch und Sohn (SAT1 und EUREKA), Berlusconi aus Italien (Tele5), Medienzar Rupert Murdoch (Sky-Channel) und die europäischen Großbanken, die gerade ihren TV-Satelliten ASTRA in den Himmel schießen lassen (Deutsche Bank natürlich immer dabei). Die ZuschauerInnen werden nicht gefragt, ob sie die Werbeflut und die pestartige Ausbreitung der Schleichwerbung wünschen. Ihnen wird gesagt: Es wird gesehen, was auf den Fernseher kommt.

re