Rom gegen den Rest von Köln

Vatikan beharrt auf die Ernennung des Kölner Erzbischofs  ■  Von Johannes Nitschmann

Selten ist in den Kneipen im Dunstkreis des Kölner Doms so viel über die Kirche gelästert worden, und viel seltener noch haben die gottesfürchtigen Zecher „em hillige Kölle“ so respektlos über den Papst hergezogen. Der eigenwillige Entschluß des römischen Pontifex, partout den in Ost-Berlin residierenden Kardinal Joachim Meisner (54) gegen den entschiedenen Widerstand des örtlichen Domkapitels auf den seit nahezu 15 Monaten verwaisten Stuhl des Kölner Erzbischofs zu hieven, hat Gläubige und Ungläubige in der rheinischen Domstadt gleichermaßen in Rage versetzt.

„Die spinnen, die Römer“, ruft ein junger Theologiestudent unter dem lautstarken Gejohle seiner katholischen Stammtischbrüder in der Kölner Eckkneipe „Dominikaner“ aus. Die Menschen sind empört darüber, daß der bei den Rheinländern nicht eben wohlgelittene Berliner Kardinal nach dem Willen des Polen-Papstes neuer Kölner Oberhirte werden soll.

Nach monatelangen, immer wieder neuen Spekulationen gibt es seit vergangenem Dienstag keinen Zweifel mehr, daß der römische Pontifex seinen Kopf im Tauziehen um die Besetzung des einflußreichen Kölner Bischofstuhls unbedingt durchsetzen will, wenngleich er mit Meisner eine Menge kirchenpolitisches Porzellan zerschlagen dürfte. „Ich gehe davon aus“, verkündete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Oberhirte Karl Lehmann, am Dienstag abend auf einer improvisierten Pressekonferenz am Frankfurter Flughafen nach seinem Blitzbesuch in Rom, daß Kardinal Meisner vom Papst zum neuen Kölner Erzbischof berufen wird. Zuvor hatten die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die nach dem Konkordat (Vertrag zwischen Staat und Kirche) in die Entscheidung über den Kölner Bischofsstuhl eingebunden sind, noch einmal deutlich gemacht, daß sie der Ernennung eines neuen Bischofs, der nicht in geheimer und freier Wahl durch das Domkapitel nominiert werde, unter keinen Umständen zustimmen könnten. Von dem angekündigten Widerstand der beiden Landesregierungen offensichtlich gänzlich unbeeindruckt hatte der Papst den Chef der Deutschen Bischofskonferenz in den Vatikan zitieren lassen, um ihm mitzuteilen, daß er von seinem Spezi Meisner nicht abrücken werde. Die 'Berliner Morgenpost‘ will gar erfahren haben, daß Lehmann Nachfolger des Berliner Kardinals werden soll. Der Heilige Vater, sagte Bischof Lehmann am Dienstag vor Journalisten, wolle sich das ihm „zur Verfügung stehende freie Ernennungsrecht“ einfach nicht nehmen lassen. Schließlich habe dieser Papst „durch die Auseinandersetzung mit Diktaturen“ eine „hohe Sensibilität für die Freiheit der Kirche entwickelt“. Da mußten die Vertreter der sozialdemokratischen Landesregierung in Düsseldorf gleich mehrfach schlucken. Am Wochenende hat der Vatikan in seiner ersten offiziellen Erklärung zum Streit abermals darauf beharrt, daß der Papst das Recht zur Ernennung eines eigenen Kandidaten selbst dann habe, wenn das Kölner Domkapitel sich gegen die Entscheidung des Papstes stelle.

Unbestritten verfügt der Papst alleine nach dem Kirchenrecht über ein persönliches Ernennungsrecht von Bischöfen. Nur: Völkerrechtlich - und dies ist die eigentliche Kontroverse zwischen Rom und Köln - ist die Berufung eines Diözesenbischofs einzig und allein nach der Wahl durch das örtliche Domkapitel möglich. Und das 16köpfige Domkapitel hat sich in zahllosen geheimen Wahlgängen auf keinen der drei vom Papst vorgeschlagenen Kandidaten verständigen können.

Schon gar nicht auf den von den Domherren wenig geschätzten Berliner Kardinal Meisner, ein langjähriger Weggefährte und persönlicher Freund des Polen-Papstes, der innerhalb des Kölner Klerus als „viel zu konservativ, verknöchert und introvertiert“ gilt. Der Papst hat in dem Vier-Augen -Gespräch mit Bischof Lehmann freilich keinen Zweifel daran gelassen, daß er den im Vatikan als lebenslustig und lau verschrienen rheinischen Katholiken einen Kirchenfürsten vor die Nase setzen will, „der Erfahrungen hat mit sozialistischen Ländern, mit den Auseinandersetzungen mit dem Atheismus“.

Neben dem verstärkten römischen Einfluß auf den kirchenpolitischen Kurs der Kölner Katholiken geht es dem Vatikan offenbar auch um einen besseren Zugriff auf die reichlich fließenden Kirchensteuermittel in dieser reichsten Diözese der Welt, die immerhin einen Jahresetat von rund 900 Millionen Mark aufweist. Der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel (CDU), als langjähriger Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) ein Kenner römischer Verhältnisse spekulierte sogar, daß bei den Überlegungen für einen romtreuen Statthalter „die Größe, die Tradition und die Bedeutung“ des Erzbistums Köln „von Gewicht“ sei. Selbst Vogel zeigte „als Katholik Verständnis dafür, daß die betroffenen Gläubigen an der Bestellung des neuen Bischofs mitwirken wollen“.

Der andere Gegenspieler des Vatikans, der protestantische Düsseldorfer Regierungschef Johannes Rau (SPD), hat in einer für ihn ungewöhnlich deutlichen Weise erklärt, daß er auf die Einhaltung des Preußen-Konkordates bei der Kölner Bischofswahl bestehen werde : „Ich halte es für unvorstellbar, daß sich der Vatikan über eine solche vertragliche Bindung, die er selber eingegangen ist, hinwegsetzt, weil er ja damit Konsequenzen heraufbeschwören würde, die bundesweit viele andere Elemente solcher Konkordate in Frage stellen würde.“

Raus Innenminister Herbert Schnoor (SPD) sekundierte seinem Regierungschef. Wenn der Papst das Konkordat bei der Berufung des Kölner Erzbischofs einseitig auflöse, „dann entfällt auch die Geschäftsgrundlage in anderen Fragen“. Im Klartext: Rom nähme das Risiko auf sich, daß die Konkordatsbestimmungen dann womöglich auch bei dem Besetzungsrecht der Kirchen an theologischen Hochschulfakultäten, bei der Besoldung von Lehrern an Privatschulen und bei der staatliche Bezuschussung kirchlicher Sozialeinrichtungen nicht mehr gelten würden.

Allein für die Unterhaltung der katholischen Privatschulen gibt Nordrhein-Westfalen derzeit rund 400 Millionen Mark aus, die anteilige Besoldung vom Pfarrern schlägt immerhin noch mit 21,5 Millionen Mark im Landeshaushalt zu Buche. Mit Blick auf die Beschäftigten im kirchlichen Dienst sagte Innenminister Schnoor, der Papst „gefährde die Rechte derjenigen, die ihm eigentlich anvertraut sind“. Der Vatikan, so warnte der Minister, könne das Konkordat schließlich nicht so auslegen, „wie es ihm gerade paßt“.

Die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung beruft sich bei ihrem Beharren auf die Einhaltung des Konkordats auf eine breite Rückendeckung „weiter katholischer Kreise“, wie Regierungschef Rau in einer Journalistenrunde sagte. Täglich erhalte er Briefe von Katholiken, die ihn ermunterten, nun ja nicht weich zu werden gegenüber dem Vatikan.

Im übrigen - so Rau - zeigten zunehmend auch die Gläubigen in anderen bundesdeutschen Diözesen starkes Interesse daran, daß die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei ihrer harten Linie gegenüber Rom blieben. Schließlich stünden die Diözesen Rottenburg -Stuttgart und das Bistum Essen „in einiger Zeit schon vor dem gleichen Problem wie die Kölner“.