„Dramatische Gefechte am Schutzwall Minenfeld“

■ Ein Rückblick auf die Sommerspiele 2004 im Erich-Honecker-Olympodrom

Ost-West-Berlin, 11. August 2004

„Herzlich willkommen, liebe Sportfreunde aus dem gemeinsamen Sendezentrum des Aktuellen-Kamera-Sportstudios, dem Satellitenfernsehen ZDDRF, zur feierlichen Schlußfeier.

Was haben wir für großartige Sommerspiele gesehen, die 25. Neuzeit im 25. Jahr der West-Ost-Berliner Tageszeitung, jenem Zentralorgan der kritischen Kräfte drüben wie hüben. Dieses mitreißende Sportfest der Volksverständigung, was haben wir gejubelt... aber, einen Moment, unten auf dem Kunstrasen des Erich-Honecker-Olympodroms hier in (Stadtteil, so bekannt, einfügen) sehe ich gerade unseren Tennis-Olympiasieger Frieder Fluchball aus Dresden hereinmarschiert kommen, ja, die 100.000, erlauben Sie mir diesen Satz, sind förmlich aus der Datscha. Welch ein Jubel, und wer denkt jetzt nicht an den vergangenen Montag, als unser Frieder in dem dramatischen Gefecht im ehemaligen Minenfeld vor dem Potsdamer Platz das Mixed mit der großen alten Dame des weißen Sports, Steffi Graf, gewann.

Viel ist ja in diesen Tagen von Sport und Politik geredet worden, bei all den gemeinsamen Wettkämpfen, mal in Ost mal in West. Und ich darf auch daran erinnern, daß unsere sog. „DDR“ von all den ewig Voreiligen immer wieder dafür gescholten wurde, daß die sog. „Mauer“ auch zum gesamtberlinerischen Olympia nicht niedergerissen wurde. Dabei hat sich doch der Schutzwall selbst als eine beliebte Sportstätte erwiesen. Stabhochsprunggold gewann Sergej Bubka nur, weil er als einziger wieder zurücksprang, und auch gestern beim Hochsprung hat nur die westdeutsche Carla Thränweich als einzige gerissen. Da war keine Disqualifikation mehr nötig, und die Schäden im bröckeligen Gestein sind heute nacht ausgebessert worden. Auch der Parcours der Springreiter war sozusagen sportstättenimmanent, da hatte sich schnell die Spreu vom Hafer getrennt. Von den unverbesserlichen Tierschützern lassen wir uns da nicht verwirren. Und die Volleyballer wollen zukünftig nur noch mit Beton statt Netz spielen.

Denken wir zurück an die großartigen sportpolitischen Akzente, die unsere Athleten gesetzt haben, so wie, da unten sehe ich ihn, unser Marathonmann Hansi Tschokk, der heute morgen als erster durchs Marathontor Friedrichstraße gekommen war, nach den 42 Kilometern durchs Labyrinth der S -Bahn-Kanäle unter Alex und Bahnhof Zoo. Mit unseren Zwangsverwandten aus dem Westen haben wir ja unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Stieftochter Katharina Witt-Jauch ist ja schon lange dem Glatteis des Westens erlegen, und den tragischen Infarkt des großen, alten Kollegen Wolfram Esser darf ich hier noch einmal würdigen: Als der Ruder-Achter unserer Republik eine clevere Abkürzung über die Havel nahm, wertete das der gute Mann als wettkampfgetarnten Fluchtversuch und brach mit dem Schrei „Jetzt haben wir zwei Deutschland-Achter“ vor dem Mikrofon zusammen...

Auf Wiedersehen, Olympia, in vier Jahren in, äh, ja, wo geht's denn weiter, ja, ähäm, wo, also ich glaube, weiter kann man die Idee von der Jugend der Welt nicht mehr weiterstrapazieren. Mit dem Lied „Geh für Gold“ gebe ich aus der Honecker-Kampfbahn zurück in die Sendeleitung oben im Mir-Challenger

Bernd Müllender