Grüne-betr.: "Grüne Krise eskaliert - Bundesvorstand abgewählt", taz vom 5.12.88

betr.: „Grüne Krise eskaliert - Bundesvorstand abgewählt“, taz vom 5.12.88

„Krach bei den Grünen“ (Heute-Redaktion), „Grüne Krise eskaliert“, (taz): Mensch könnte bei diesen Überschriften meinen, die grüne Partei sei kurz vor dem Zerbrechen. Und dabei ist nichts weiter geschehen, als daß die vielbeschworene „Basis“ sich das selbstverständliche Recht genommen hat, ihren Vorstand abzuwählen. Die „Basis“ hat es zudem satt, ständig als Stimmvieh für irgendein Lager herhalten zu sollen. (...)

Den Linken bei den Grünen ist zu raten, wieder die politische Offensive und die inhaltliche Kontroverse mit den „Realo„- und „Aufbruch„-Leuten zu suchen. Der erstarkenden „undogmatischen Linken“ könnte dabei eine antreibende Rolle zukommen. (...)

Gerald Scholl, Geisenheim

Endlich hat man die grünen Fundis aus dem Bundesvorstand verjagt. Es war ja auch spätestens seit dem Finanzskandal um das parteieigene „Haus Wittgenstein“ überfällig, den politisch verbohrten und moralisch verkommenen BuVo-Fundis mal die kalte grüne Schulter zu zeigen.(...)

Machen die Grünen so weiter wie bisher, das heißt besteht auf absehbare Zeit keine Möglichkeit, zumindest einige grüne Forderungen zusammen mit einem Koalititonspartner durchzusetzen, werden die Grünen, wie schon in den fundamentlistischen Landesverbänden ihre Wähler in Scharen verlieren, denn der überwältigende Teil der Grün-Wähler will keine gebetsmühlenhaft wiederholten radikalen Sprüche a la Ditfurth mehr, sondern endlich nach Jahren einmal Taten sehen. Den Grünen wird auf lange Sicht hin also gar nichts anderes übrigbleiben, als knallharte Realpolitik zu betreiben. (...)

Stefan März, Neumünster 2

Die Fundis sind meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg, doch sind ihre Ansichten im Moment in der deutschen Öffentlichkeit nicht mehrheitsfähig. Die Grünen brauchen aber zur Durchsetzung ihrer Ideen und Politik Sitze in den Parlamenten. Deshalb bin ich für „Gute Miene zum bösen Spiel.“

Erik Pfeiffer, Wilstedt

betr.: „Ein Vorstand fällt aus allen Wolken“, taz vom 5.12.88

Das Bekenntnis „ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei“ an der Wand hinter dem Podium erinnert angesichts dessen, was sich darunter im Saal abspielte, fatal an das Kruzifix über der satten, selbstgerechten Sonntagsgemeinde. Hier wie dort ist offenbar zur Dekoration verkommen, was einmal Sinnbild des Aufbruchs aus der Verstrickung in Angst, Haß und Hoffnungslosigkeit war.

Wie anders ist es möglich, daß sich Delegierte und Vorstand der Grünen mit Dreck beschmeißen wie Akteure in einem drittklassigen Ehekrach und damit allen Bemühungen vor Ort um gewaltfreie Formen der politischen Auseinandersetzung die Glaubwürdigkeit nehmen? Und wie anders ist es möglich, daß der wesentliche Grund für diesen häßlichen Streit die Frage zu sein scheint, wer in dieser basisdemokratischen Partei berufen ist, die nach den Spielregeln des parlamentarischen Systems nun einmal unerläßlichen Funktionärsposten einzunehmen - eigentlich ein gelungener Witz, bei dem mir allerdings das Lache im Halse stecken bleibt. Otto Schilys „staatsmännischer“ Gestus, mit dem er dieses Trauerspiel zum „Erfolg für die ganze Partei“ verklärt, dürfte ihm entweder den Vorwurf Orwellscher Sprachverdrehung oder die Unterstellung einer „wahnhaften verzerrten Wahrnehmung der Realität“ eintragen. Letzteres wäre dann etwas, was den Exponenten der bitter verfeindeten Parteiflügel gemein wäre, und vermutlich ließe sich da unschwer nochmehr finden...

Henning Bähr, Oldenburg

Politisch davon profitiert hat vor allem die sogenannte Mitte („Aufbruch 88“), die sich gerne als „Linke“ präsentiert („eigentlich kommen wir ja fast alle von den Fundis her“), die es ganz wichtig findet, daß die Fundis und Ökosozialisten in der Partei bleiben („weil sie die inhaltlich Stärkeren sind“, A.Vollmer), die aber in der Person eines Lukas Beckmann, in dem zweifelhaften Vorhaben einer Urabstimmung über Manifeste, in der Beteiligung bei der Abwahl des Bundesvorstandes, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz, praktisch gemeinsame Sache mit dem rechten Flügel der Partei machen und damit den Rechtsruck der Partei mitzementieren. Und eben genau das zählt für die Linke in und außerhalb der Partei.

Eine solche Feststellung hat nichts mit Trotz, Schmollen oder anderen Psychologismen zu tun, die gleich wie in der bürgerlichen Presse, auch in der taz zu lesen waren, sondern mit Denken.

Es ist zu begrüßen, wenn sich die Linke in und außerhalb der Grünen Anfang nächsten Jahres bundesweit trifft, um über die Frage nach mehr Eigenständigkeit linker Politik zu diskutieren. (...)

Susanne Haas, Tübingen