Daimler-Boß pokert mit Platzen der MBB-Fusion

Reuter will keinen Verlustausgleich zwischen militärischer und ziviler Produktion  ■  Von Ulli Kulke

Der Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums ist verhalten optimistisch über die Aussichten der Fusion Daimler-Benz mit Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB): „Gestorben wird das ganze noch nicht sein“, kommentierte er gestern gegenüber der taz die neuerlichen Konflikte zwischen seinem Ministerium und dem Daimler-Vorstandsvorsitzenden Edzard Reuter. Der neue Wirtschaftsminister Haussmann (FDP) und Finanzkollege Stoltenberg (CDU) wollen heute abend in Bonn mit Reuter (SPD) darüber sprechen.

Das Problem: Die Bundesregierung will die Fusion nur subventionieren, wenn Daimler eine Bedingung erfüllt; die satten Gewinne aus der militärischen Fertigung MBBs müssen herangezogen werden, um die nicht minder satten Verluste aus der Airbus-Fertigung der MBB-Tochter auszugleichen. Genau dies will Reuter jedoch nicht zulassen, wie er am Wochenende gegenüber der Presse erklärte. Daimler ist lediglich bereit, Synergieeffekte zwischen beiden Sparten auszugleichen, also Forschungserkenntnisse aus der Militärfertigung und den Weltraumprojekten kostensenkend bei der Airbus-Produktion einzusetzen. Für die Verluste bei Airbus soll nach den Wünschen Reuters die Bundesregierung aufkommen. Dazu hatte der Vorsitzende der FDP, Lambsdorff, bereits vor Wochen öffentlich im Bundestag erklärt: „Wenn Herr Reuter glaubt, mit den Synergie-Gewinnen unseren Forderungen gerecht zu werden, dann hat er sich getäuscht.“ Reuter will auch das äußerste nicht ausschließen: „Wir müssen davon ausgehen, daß das ganze auch platzen kann. Wenn am Dienstag abend die Gespräche für abgebrochen erklärt werden, dann ist der Deal nicht mehr machbar.“ Taktisch brachte Daimler-Benz in letzter Zeit mehrfach andere mögliche Fusionspartner in Sachen Luft- und Raumfahrt ins Gespräch, so daß Reuter jetzt meint, souverän feststellen zu müssen: „Wir laufen der MBB -Geschichte nicht hinterher.“

Die Eile Reuters erklärt sich aus dem Terminplan, den er sich ausgedacht hat. Der Daimler-Aufsichtsrat soll am 21. Dezember das Fusionskonzept endgültig beschließen, und mit dem Knallen der Silvesterkorken 1988/89 soll der Zusammenschluß wirksam sein. In Kreisen des Wirtschaftsministerium herrschte indes gestern einmütig die Auffassung vor, daß am heutigen Abend der Konflikt noch nicht ausgeräumt sein wird, das es weitere Runden geben wird. Der Sprecher des Finanzministeriums wollte den Vorgang mit keinem einzigen Wort kommentieren.

Daimler ist bei der Fusion in der jetzt geplanten Konzeption aus dreierlei Gründen auf die Zustimmung der Bundesregierung angewiesen: Aufgrund der Kapitalbeteiligung des Bundes, aufgrund der Zusage Bonns, die Risiken des Airbus-Exports, die sich aus einem weiter sinkenden Dollarkurs ergeben, zu übernehmen, und schließlich aufgrund der sicher erforderlichen Ministererlaubnis: Der neue Bundeswirtschaftsminister wird eine Ausnahmegenehmigung erteilen müssen, um das zu erwartende Fusions-Verbot durch das Bundeskartellamt auszuräumen.

Die neue Problemlage ist Ergebnis eines ziemlichen Verwirrspiels innerhalb der FDP. Kaum zum neuen Parteivorsitzenden gewählt, stellte Graf Lambsdorff vor einigen Wochen die so schön zum Paket geschnürte Verhandlungslösung des damaligen Bundeswirtschaftsministers Martin Bangemann (FDP) und Daimler-Benz in Frage, bei dem sich Bangemann auf weitestgehende Zugeständnisse eingelassen hatte. Nach einer FDP-Präsidiumssitzung mußte Lambsdorff zwar seine fundamentalen Bedenken über die Bundeszuschüsse zur Fusion zurückstellen, was seinerzeit mit einem erheblichen Gesichtsverlust des neuen Parteichefs verbunden war. Eine kleine neue Zusatz-Bedingung gestattete man ihm jedoch: den Verlustausgleich. Bangemann, seinerseits ängstlich vor Gesichtsverlust, meinte daraufhin, das sei sowieso klar gewesen, und verfaßte leichten Herzens einen Brief an Daimler-Benz mit einer entsprechenden Forderung. Nunmehr stellt sich heraus, daß der innerparteiliche Streit doch zu einem neuen Problem für den Firmenzusammenschluß geführt hat.