taz derzeit „zu 99,9 Prozent wanzenfrei“

taz griff zur Selbsthilfe gegen „Wanzen-Willi“ / Sicherheitsexperte durchsuchte taz nach geheimen Mini-Sendern / Zumindest gestern war die Zeitung frei von elektronischen „Wanzen“ / Wanzensucher rät zum Auszug / Rechnung geht an Berlins Innensenator Wilhelm Kewenig  ■  Aus Berlin Vera Gaserow

Gewöhnlich, so betont Hans Georg Haupt, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar a.D. des Bundskriminalamtes (BKA), übt er seine Tätigkeit im geheimen aus. Das Ergebnis seiner Arbeit behandelt er sehr diskret, denn was er ermittelt, ist äußerst pikant. Als Sicherheitsberater für Industrieunternehmen geht Hans Georg Haupt auf Jagd nach Wanzen, allerdings auf die nach der appetitlicheren, dafür um so gefährlicheren Sorte dieser Kleintiergattung: Er spürt kleine knopf- oder streichholzschachtelgroße Miniatursender auf, die - unter Tischkanten oder Bücherregale, Schreibmaschinen oder Blumentöpfe geklemmt - über Jahre hinweg ganze Räume abhören können.

Am Wochenende jedoch war Sicherheitsexperte Haupt entgegen aller Prinzipien seiner Zunft zu einer öffentlichen Mission bereit: Vor laufenden Fernsehkameras suchte er die 1.400 qm großen Räumlichkeiten der taz mit einem Spezialgerät nach Mini-Abhörsendern ab.

Und das hat seine Vorgeschichte: Auch nach einem dringenden Auskunftsersuchen hatte Berlins Innensenator Wilhelm Kewenig in der letzten Woche nur pauschal erklärt, entgegen anderslautender Berichte sei die taz-Redaktion nie mit nachrichtendienstlichen Mitteln des Verfassungsschutzes ausgespäht worden.

Doch da man weiß, was von den Versicherungen Berliner Innensenatoren zu halten ist, und die taz - anders die US -Botschaft in Moskau - nicht gleich ihr ganzes Gebäude abreißen lassen wollte, griff sie zu einem anderen Akt der Selbsthilfe: der „Entwanzung“ durch einen Spezialisten, den ehemaligen BKA-Beamten Hans Georg Haupt.

Haupts nicht sehr überraschendes Ergebnis gestern mittag, nach mehrstündigem Abchecken der taz-Räume: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit, zu 99,9 Prozent, kann davon ausgegangen werden, daß heute keine Minisender in der taz installiert sind.“

Allerdings, so betonte Haupt, gebe es ein gewisses Restrisiko, und das Ergebnis sage nichts über die Vergangheit oder die Zukunft aus. Denn in einem offenen Haus wie der taz wäre es „kein Problem“, die kleinen, mit einer Batterie arbeitenden Minisender zu entfernen und wieder zu installieren. Er selber würde außerdem, - wenn er heute noch im BKA tätig wäre und den Auftrag hätte, die taz zu überwachen - den „einfacheren Weg“ wählen. Und dieser einfachere Weg sei allemal, die Telefone abzuhören, und von einem gegenüberliegenden Fabrikgebäude aus die Richtmikrofone auf die breite taz-Fensterfront zu richten.

Der „Kriminalist im Ruhestand“, wie Sicherheitsexperte Haupt sich nennt, hatte sich erst nach einiger Überlegung bereiterklärt, in der taz unter den Augen der Öffentlichkeit tätig zu werden. „Weil es hier um einen großen Mißstand geht, der aufgedeckt werden muß“, habe er sich „als Staatsbürger verpflichtet gefühlt, hier zu helfen“.

Mit einem 25.000 Mark teuren, geheimnisvollen schwarzen Koffer war Haupt dann am Sonntag früh in die taz gereist. Und gleich im ersten Raum spielte der im Koffer enthaltene „mini-spy-detector“ verrückt: Beim Abfahren der verschiedenen Sendefrequenzen ertönte ein aufgeregter Piepton, und das rote Lämpchen des detectors hörte nicht mehr auf, „Alarm!“ zu blinken. „Hier ist etwas!“, teilte der Sicherheitsexperte den gebannt auf die Alarmleuchte starrenden Beobachtern mit. Fernsehleute krochen mit ihren Kameras unter die Tische, Rundfunkmikrofone wurden hektisch in die Ecken gehalten, in denen das kleine Ortungsgerät knatternde Laute von sich gab, eine Zimmerpflanze wurde kurzzeitig völlig zu Unrecht verdächtigt, neben Läusen auch noch die gesuchte Wanze zu beherbergen - doch schließlich erwiesen sich die lautstarken Aktivitäten des Suchgeräts als Fehlalarm. Die Technik des hochsensiblen Geräts hatte versagt und zu Konfusion geführt. Gestern dann, mit repariertem Gerät, gab der schwarze Koffer kein alarmierendes Piepsen und Knattern mehr von sich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit also keine „Wanze“ in der taz - weder in den Redaktionsräumen noch in der Abo-Abteilung oder der Telefonzentrale.

Beruhigen konnte und wollte Sicherheitsexperte Haupt die taz aber dennoch nicht - und das hatte wohl auch niemand in der Wattstraße von seinem Einsatz erwartet. „Absolute Sicherheit gibt es nicht“, erklärte Haupt, der schon zu Beginn seiner Duchsuchungsaktion den Ratschlag gegeben hatte: „Ziehen Sie hier aus!“

Bevor die taz diesen Tip im nächsten Frühjahr ohnehin befolgt, wird sie jedoch dem Innensenat eine Rechnung präsentieren. Denn die Kosten der gestern abgeschlossenen Entwanzungsaktion, immerhin einige tausend Mark, müssen selbstverständlich aus dem Etat des Verfassungsschutzes beglichen werden.