Krümelmonster will an Ottos Gürtel

■ Der finale Kampf um den CWA-Weltmeistergürtel zwischen Big Otto Wanz und Kokina, dem Prinzen von Hawai, wirft schweren Schatten guten Theaters voraus

Stellen wir uns doch einfach mal ganz unverstellt und halten Catchen für ein Festival nun mal real existierender archaischer Instinkte, dargeboten von Profi

Spielern. Und stellen uns mit den Kameraträgern in Halle IV der Stadthalle bereit zum Einzug der Gladiatoren. Aiiida, da kommen sie!!! Nackich und groß, Otto Wanz, 27-maliger Verteidiger des CWA-Weltmeistergürtels, den er straff ums unendliche Rund gebunden trägt, über einen rosa-türkis -geringelten Spielanzug, neben und hinter ihm das Heer der Sekundanten und Hofscharen und - der Herausforderer.

Keine Zeit, angemessen zu staunen, daß der Spielanzug alles zeigt, die straffe Tonnenwölbung, den runden, schweißigen Nacken und die birnbaumförmigen Säulen der Beine, nur, der Schwanz von Otto Wanz ist einfach nicht zu sehen, also rein plastisch nicht, obwohl der Spielanzug nun wirklich knackig sitzt. Auch für die Archaik gibts Grenzen.

Der Herausforderer, Kokina, Prinz von Hawai, macht alles fehlende Archaische wett: ungebärdig schwarzes Haar so vor den Augen wie der Kampfstier die rote Wand, unablässig durch die Riecher schnaufschnaubend wie jener, überhaupt: un. Unhaltbar, unzähmbar, sicherlich auch unbezwingbar rasen seine vier Zentner, eingebunden in ein riesiges rot-weißes Tischtuch, vorbei am Troß des großen Wanz-Ottos, machen die fettverpackten Fäuste die blechernen Saaltüren donnern, weigert er sich, auf die Waage zu steigen, wenn er soll - das keuchgrunzfaucht er gegen den stets hinter ihm eilenden Wärter im Nadelstreifenanzug,

-rast in die leeren Zuschauerreihen, jetzt tut ers doch, bringt 20 Kilo mehr drauf als Otto. Kokina, das verläßlich und unaufhaltsam rasende Archaic-Ungeheuer von Hawai, erfahre ich von Matchmaker Peter Williams, ist Sproß einer der „reichsten, also gutsituiertesten Familien von Hawai“. Otto ist 44, das Ungeheuer ist 23 („dreiundzwanzig!“ echot es fassungslos ob der Jugend von soviel Urgewalt) und bekommt, wenn er die 19 Runden des Weltmeisterschaftskampfes am Sonnabend siegreich durchsteht, 10 Prozent

der Einnahmen.

Mittlerweile sind Catcher mit Wärtern oben in den Ring gestiegen, an dessen weißen Stricken die 4-Zentner-Urmensch -Gewalt von Hawai reißt und ruckelt, wenn er sich nicht bedrohlich auf Otto zubewegt, die Fäuste auf die schwellende Brust schlagend, wie wir Orangs das eben so tun. „Alles Show“ wissen die gefroren lächelnden Journalistenminen ringsum. Aber als der Matchmaker den randalierenden „Prinzen“ zum Unterschreiben des Vertrags (10.000 Dollar zahlt, wer den Kampf abbricht) auffordert, befürchtet mein abgebrühter Nebenmann: „Das wird schwer halten.“ Wie im King -Kong-Kino, da halten wir King Kong ja auch

nicht pausenlos für einen Schauspielschuladepten. Aber siehe, er konnte schreiben und fast übergangslos gegen Big Otto grunzen , daß er „finished“ sei und er würde ihm den Gürtel rauben, und Big Otto könnte ihn all the way aus Hawai backholen. Der, ganz big Staatsmann, schenkt dem Herausforderder drei „Prinzenrollen“, weil das sei die Rolle, die der Prinz hier spielen werde. Das Ungeheuer hieb die Prinzenrolle zu Krümelstaub, aufheulend den Frevel an seinem Namen rächend. Unter den eisern lächelnden Reportergesichtern meine ich echtes Gruseln gesehen zu haben. Wer auch eins will: Saturday Night.

Uta Stolle