Die „schwierigen Zeiten“ sind vorbei

Die Kooperation zwischen der Bundesrepublik und dem Iran wächst und gedeiht / Das deutsch-iranische Kulturabkommen sieht nur Stipendien für regimetreue Studenten vor / BRD-Wiederaufbau nach 1945 als Vorbild der iranischen Führung  ■  Von Robert Sylvester

Es habe sich als richtig erwiesen, daß die Bundesregierung ihre Beziehungen zum Iran auch in schwierigen Zeiten nicht abgebrochen habe, erklärte Außenminister Hans-Dietrich Genscher während seines Besuches in Teheran Ende November. Ungeachtet der jüngsten Hinrichtungswelle sind die „schwierigen Zeiten“ für Bonn offensichtlich vorbei. Die Genscher-Mannschaft konnte zufrieden wieder nach Hause fahren, mit den Aussichten auf lukrative Geschäfte und einem unterzeichneten deutsch-iranischen Kulturabkommen im Gepäck. Die Bundesregierung, die einmal mehr den Vorreiter spielt, möchte künftig mit der Islamischen Republik auch auf dem Gebiet Hochschulausbildung, Radio, Fernsehen und Literatur zusammenarbeiten.

Zehn Jahre lang hatte die iranische Regierung eine antiwestliche Politik verfolgt. Hintergrund für das Interesse an der kulturellen Zusammenarbeit mit dem Westen ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften für den Wiederaufbau der im Krieg mit dem Irak zerstörten Industrie und der Wunsch, die internationale Isolierung zu überwinden.

Etwa drei Millionen Iraner hatten dem Iran und der Politik Khomeinis den Rücken gekehrt und waren ins Ausland, vor allem die USA und Westeuropa, gegangen. Darunter fast 70 Prozent der iranischen Ingenieure, Manager, Ärzte und andere Fachkräfte. Um diesen Mangel an Experten auszugleichen, hat die iranische Regierung die Zügel der Kontrolle gelockert. „Wir sind bereit, jeden arbeiten zu lassen, vorausgesetzt, er ist nicht gegen uns“, erklärte der Parlamentspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsanjani. Doch die Bemühungen, Fachkräfte aus dem Ausland zurückzulocken, blieben erfolglos; die Experten forderten Sicherheitsgarantien für sich selbst und eine Entpolitisierung im Büro und am Arbeitsplatz. Daher will das Regime jetzt Studenten zur Ausbildung ins Ausland schicken. Im deutsch-iranischen Kulturabkommen sind darum unter anderem Stipendien für Studenten beschlossen worden.

250.000 Mark Kaution

Doch nicht jeder kann in diesen Genuß kommen. Der bisherigen Praxis zufolge werden Studenten, die sich für ein Stipendium im Ausland interessieren, sorgfältig ausgesiebt. Sie müssen eine fachliche und eine ideologische Prüfung und ein zusätzliches Interview über sich ergehen lassen. Ihr familiärer und politischer Hintergrund sowie der Verlauf ihrer bisherigen Ausbildung wird durchleuchtet, um sicherzustellen, daß sie auch keine Sympathisanten einer oppositionllen Organsiation sind. Sie brauchen außerdem Empfehlungen von drei Lehrern, die von der Regierung akzeptiert werden und müssen eine Kaution von umgerechnet 250.000 Mark hinterlegen, die zurückerstattet wird, wenn der Student nach Abschluß seiner Ausbildung in den Iran zurückkehrt. Männer können sich erst im Alter von 25 Jahren bewerben und Frauen dürfen überhaupt nur in Begleitung ihres Mannes, Vaters oder Bruders zum Studium ins Ausland - eine Maßnahme, die die Möglichkeit von Frauen, ein Stipendium zu ergattern, erheblich erschwert und in vielen Fällen unmöglich macht.

Wenn die Studenten alle Hürden genommen haben, winkt der Genuß verschiedener Privilegien, zum Beispiel die Möglichkeit, monatlich umgerechnet 750 Mark zum offiziellen Kurs zu wechseln, und natürlich das Stipendium selbst, vorrausgesetzt, sie haben am Semesterende ihre Scheine und einen positiven Bericht der jeweiligen Botschaft eingereicht. In Großbritannien, Frankeich und den USA, wo die iranische Opposition besonders stark vertreten ist, werden die Stipendiatien in Fünfergruppen zusammengefaßt und von einem „vertrauenswürdigen“ Tutor überwacht.

Die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Teheran ist ein weiterer Punkt des Kulturabkommens. Das Institut war 1987 zum dritten Mal geschlossen worden, nachdem eine Rudi-Carell -Show über Khomeini den Ärger der iranischen Regierung ausgelöst hatte. Aber schon vorher war es zweimal geschlossen worden, weil die Mitarbeiter es abgelehnt hatten, getrennte Klassenräume für Männer und Frauen einzurichten.

Schließlich und endlich kann die Bundesrepublik darauf hoffen, das größte Stück des Wiederaufbaukuchens abzusahnen. Wie die Tageszeitung 'Keyhan‘ kürzlich schrieb, ist die iranische Führung sehr daran interessiert, die bundesdeutschen Erfahrungen aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg für sich zu nutzen.