SÜDAFRIKANISCHE FRÜCHTE

Mitten im Einkaufsbummel des Adventssonnabends stehen wir mit unseren Plakaten und Unterschriftenlisten vor Karstadt. Nach zwei Stunden sehen wir, daß 300 Passanten unsere Forderungen, Karstadt solle südafrikanische Waren aus dem Angebot nehmen, unterschrieben haben. Nicht gezählt haben wir die unfreundlichen, empörten und verständnislosen Blicke und Bemerkungen. Früher (das heißt bei mir immer die Zeit, bevor wir nach Südafrika gingen) hätte ich mich an einem Adventswochenende ganz sicher auch um Weihnachtsvorbereitungen und Adventsstimmung zu Hause gekümmert.

Aber zwischen früher und dem Adventssonnabend 1988 liegen die fünf Jahre, die unsere Familie in Südafrika gelebt hat. Gottfried als Pfarrer in einer farbigen Gemeinde mußte sich von den ersten Wochen an mit seinen Gemeindemitgliedern gegen die Ungerechtigkeit wehren, mit der sie im Apartheidstaat behandelt werden. Man brauchte auch mit unseren Kindern keine lange theoretischen Gespräche über Rassenprobleme zu führen, es war vielmehr so, daß wir bald ihre fassungslosen Fragen beantworten mußten, wenn unser Wohnzimmer plötzlich Schlafplatz für zehn schwarze Mütter mit ihren Babys wurde.

Nach fünf Jahren hatten wir ständig miterlebt, wie brutal der Staatsapparat zurückschlägt (schlagen muß aus ihrer Sicht), um nur ja keinen Widerstand zuzulassen.

Als uns dann die südafrikanische Regierung zwang, das Land innerhalb von drei Wochen zu verlassen, war es auch klar für uns, daß wir den Auftrag unserer schwarzen Freunde mitnahmen und uns hier in Deutschland, für die Unterstützung ihres Kampfes einzusetzen.

Zurück in Berlin, stellten wir, aber besonders ich, fest, daß wir hier von offiziellen Stellen, auch von kirchlichen, und von denjenigen, die wirkungsvollen Druck auf die südafrikanische Regierung ausüben könnten und müßten, so gut wie gar nicht gehört oder um Rat gefragt wurden. Zum Glück kamen aber gleichzeitig Einladungen und Angebote der Solidaritätsgruppen, der Südafrikagruppe der evangelischen Frauenarbeit, der Mahnwachengruppe, der Anti-Apartheid –Bewegung und anderer. Und das ist der andere Grund, warum ich an einem Adventssonnabend nicht Plätzchen backend zu Hause in meiner Küche stehe. Ich habe Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden, mit denen ich zusammen durch verschiedenste Aktionen Unterstützung des Befreiungskampfes der schwarzen Bevölkerung in Südafrika durch Boykott und Sanktionen fordere. Es gibt genug Leute, die unsere Bemühungen mit einem mitleidigen Lächeln abtun. Ich habe aber in den zwei Jahren, die wir nun schon wieder zurück in Berlin sind, gelernt, daß doch auch durch so wenig spektakuläre Aktionen sich etwas bewegen läßt.

Letztes Jahr hatten wir auf unserem Boykott-Seminar noch überlegt, ob wir die Aktion „Kauft keine Früchte aus Südafrika“ nach zehn Jahren ohne direkt vorweisbaren Erfolg überhaupt noch weiter machen sollten. Dieses Jahr erklärte eine ganze Anzahl Lebensmittelketten, zum Beispiel Hertie, Kaufhof, Aldi, daß sie keine südafrikanischen Früchte mehr anbieten.

Dann sicher brauchen wir die Südafrika-Solidaritätsarbeit Hartnäckigkeit, Geduld und Ausdauer, aber das haben wir ja in Südafrika von unseren Freunden gelernt. Ihr Widerstand unter oft unvorstellbaren Bedingungen wächst ständig.

Nini Kraatz, Frauen gegen Südafrika und Apartheid