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Innu-Indianer gegen Nato-Tiefflieger

Nach dem Absturz von Remscheid: Überlegungen in Bonn, Tiefflugtraining noch mehr nach Labrador/Neufundland auszulagern  ■  Von Ulf Wittke

Berlin (taz) - Nach dem Absturz von Remscheid denkt das Bonner Verteidigungsministerium darüber nach, das Tiefflugtraining noch stärker nach Goose Bay im kanadischen Labrador/Neufundland zu verlegen. Für die dort ansässigen Innu-Indianer ist dies ein Affront. Denn da der Tiefstflug nach Vorstellungen der Militärs nur in der täglichen Praxis trainiert werden kann, wird die Bedrohung durch Ausweitung des Flugbetriebs immer größer. Kanadas Regierung hat die Pachtverträge mit einigen Nato-Staaten schon bis in die späten 90er Jahre verlängert, und ist dabei, Konya/Türkei im Rennen um das neue Nato-Zentrum auszustechen.

Nach der Ausweitung der Tiefflüge in Goose Bay begannen die Innu 1980 durch politische Aktionen um die Anerkennung ihrer Landrechte zu kämpfen. Bis heute haben sie keine Verträge mit Kanadas Regierung geschlossen. Die Benutzung des Fluggeländes in Goose Bay durch die Luftwaffe und dessen Verpachtung an andere Nato-Staaten ist nach Innu-Überzeugung und geltendem Völkerrecht illegal. Der Protest richtet sich gegen die Besatzer, zu denen neben anderen westeuropäischen Ländern die Niederlande, Großbritannien und den USA auch die BRD gehört.

Im September 1988 besetzten die Innu das Bombenabwurfgelände 100 Kilometer südlich von Goose Bay und zwangen damit die Militärs zum Abbruch ihrer Manöver. Frauen, Kinder und Männer errichteten Zelte, wurden darauf von der Bereitschaftspolizei verhaftet und wegen „groben Unfugs“ angeklagt. Mit dieser Aktion forderten sie den sofortigen Stopp des Militär-Flugtrainings. Seit 1885 ist das die erste Auseinandersetzung zwischen Indianern und dem kanadischen Militär. Erreicht wurde ein Treffen mit Mitgliedern des Nato-Ausbildungsausschusses, der vor Ort überprüfte, ob das Gelände als 500-Millionen-Dollar-Zentrum der Nato für taktische Kampfflugzeuge und Waffentraining in Frage kommt.

Nach ihrer Freilassung starteten die Innu ein Friedenscamp am Ende der Start-/Landebahn in Goose Bay. Ende September lebten dort mehr als 200 Kinder, Frauen und Männer in Zelten. Die Innu haben wiederholt erklärt, daß sie zu Verhandlungen bereit sind. Allerdings nur mit den zuständigen Ministern Mr. Beatty (Verteidigung), Mr. McKnight (Indian Affairs) und nicht zuletzt mit Mr. Mulrony, dem Premierminister. Über 100 von ihnen wurden verhaftet und erkennungsdienstlich behandelt, 21 landeteten im Gefängnis. Fünf Männer blieben mit ihrem Priester Jim Roche inhaftiert und sollten am 5.12.88 verurteilt werden. Die Verhandlung wurde mittlerweile auf März 1989 vertagt. In einem offenen Brief wenden sich die Innu an die Bevölkerung Großbritanniens, der Niederlande und der BRD. Darin bitten sie um Unterstützung in ihrem langen und harten Kampf gegen die widerrechtliche Nutzung ihres Landes. Neben politischen Aktionen wollen sie die Unterrichtung der Weltöffentlichkeit durch die internationale Presse erreichen.

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