Italiens Grüne haben Spaltpilz vorerst im Griff

Auf Kongreß nahe Salerno wurde Harmonie und Eintracht demonstriert / Weiter „föderative“ Struktur anstelle einer regulären Partei / Strategien gibt's auch, und zwar: Volksentscheide gegen Jagd, Pestizide und Parteienfinanzierung / „Für ein Europa der Autonomien“  ■  Aus Salerno Werner Raith

Da sage einer noch, Wahlerfolge und Druck von außen könne Übermut oder Spaltpilz produzieren: Italiens Grüne, noch vor Wochen heftig zerstritten über ihre weiteren Strategien, haben unvermittelt Harmonie und Eintracht wiedergefunden. Jedenfalls auf den ersten Blick, wenn man sich die Ergebnisse ihre Kongresses in Maioli bei Salerno ansieht. Daß die Grün-Alternativen in Trient und Bozen vor drei Wochen mächtig zugelegt haben, reizt zwar so manchen noch immer zu leicht übertriebenen Sprüchen - Alexander Langer, Vormann der oberitalienischen Grünen, hält seine Gruppe seit den 7,1 Prozent in Trient bereits für „die stärkste in Europa„- unter souveräner Mißachtung bundesdeutscher Prozente.Doch der daraufhin von verschiedenen Regionalgruppierungen angekündigte oder befürchtete „Marsch in Richtung auf eine reguläre Partei“ (so ein Antragstext vor dem Kongreß) blieb aus: Italiens Grüne fühlen sich wohl so wie sie sind: mit einem Minimum an Organisation und einem Maximum an Denk- und Programmvielfalt. Ihre Orts-, Provinz und Regionalgruppierungen sind lediglich in einer „Föderation“ zusammengeschlosen, die keinerlei Weisungs oder Leitungsfunktion besitzt, sondern ausschließlich Kontakt- und Anlaufstelle für die dezentralen Bewegungen bildet.

Der Alptraum bundesdeutscher Ober-Präzeptoren-Kämpfe und Hackordnungs-Gerangel bleibt den italienischen Grünen somit weiterhin ebenso erspart wie die gesamtnationale Spaltung wegen der Bündnisfrage oder des Erhalts der „reinen“ Lehre. Die Autonomie der regionalen Grupen läßt Bündnisse mit allen Gruppen zu, die etwas für Umweltschutz tun. Auch die noch beim Europakongreß in Florenz Anfang November heiß diskutierte Frage, ob man sich den Bündnisangeboten anderer Parteien (zumindest was Wahlen anbetrifft) öffnen solle, stößt neuerdings nicht mehr auf allzugroßes Interesse: die Radikale Partei erhält ebenso wie die Liberalen und die Republikaner Abfuhren, wenn sie wieder mit ihrer Idee eines „laizistischen Pools“ daherkommen, einer „nichtideologischen“ Gruppierung der „Kleinen“ als Gegengewicht zu den drei Großen, den Christdemokraten, Kommunisten und Sozialisten.

Lediglich mit Teilen der (allerdings in sich heillos zerstrittenen) Demoproletarier könnten sich die Grünen punktuelle Bündnisse vorstellen. Ansonsten sind sie mittlerweile zutiefst davon überzeugt, daß sie ihren Weg auch alleine schaffen werden - selbst wenn die „Großen“, wie diese erklärt haben, nächstens Drei- oder Fünfprozentklauseln als Hürde für den Einzug ins Parlament einführen sollten (derzeit liegt die Barriere bei knapp einem Prozent).

Eitel Wonne also für die „sole che ride“, die lachende Sonne, das Symbol der Gruppierung? Weiterblickende Grüne wie der Fraktionsgeschäftsführer Sergio Andreis sind sich darüber im klaren, daß „nun zwar die Frage nach einem Umbau der losen Föderation in eine Partei gottseidank einmal vom Tisch ist - doch das bedeutet natürlich nicht automatisch auch eine adäquate Strategie und auch eine zukunftsträchtige Organisationsform“.

Immerhin aber gab es diesmal statt der sonst weltweit grünspezifischen Neigung zum Verschieben kontroverser Themen auch konkrete Perspektiven: Drei neue Volksentscheide sollen eingeleitet werden: gegen die Jagd, gegen den Gebrauch von Pestiziden und gegen die staatliche Parteienfinanzierung, sofern diese, wie im Parlament derzeit vorgesehen, kräftig aufgestockt und damit der öffentlichen Hand Mittel z.B. für den Umweltschutz entzogen werden.

Der Erfolg der Unterschriftensammlung dürfte gewiß sein, ob allerdings die Entscheide auch vom Verfassungsgericht zugelassen werden, ist fraglich. Referenden gegen die Jagd wurden bereits mehrere Male mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt. Überraschend klar haben sich Italiens Grüne auch auf eine Formel für die Europawahlen geeinigt: „Für ein Europa der Autonomien, gegen ein Europa der Oligopole“, die erstmals ein Gegenkonzept gegen die EG 1992 setzen soll. Programmpunkte: Forderung an die EG -Staaten, eine Art Charta des Umweltschutzes zu verabschieden, sowie die Entnuklearisierung des Mittelmeerraums. Ein außenpolitisches Maximalprogramm und ein interner Handlungsrahmen (die Referenden) also immerhin Ergebnisse, die die Grünen für die nächste Zeit ausreichend beschäftigen werden.