Bonner Nullen gegen Nullösung

■ Kohl lehnt „Vorleistung des Westens“ nach Gorbatschows Initiative ab / SPD fordert einseitige Halbierung atomarer Gefechtsfeldwaffen / Kampagne gegen Wiederaufnahme der Tiefflüge mit Aktionstag zum Jahreswechsel

Berlin (ap/taz) - Standhaft weigert sich die Bundesregierung, nach der einseitigen Abrüstungsinitiative Michail Gorbatschows praktische Konsequenzen zu ziehen. So wetterte Bundeskanzler Helmut Kohl am Wochenende erneut gegen die Forderung nach „Vorleistungen des Westens in der Abrüstungspolitik“. Der SPD-Vorsitzende Jochen Vogel schlug als Antwort auf die Truppenreduzierung der UdSSR eine einseitige Halbierung der atomaren Gefechtsfeldwaffen vor.

„Auf gar keinen Fall mache ich mir Positionen der Sozialdemokratie zu eigen“, sagte der Kanzler dagegen im Rundfunk. Nach seiner Ansicht reagieren die Sowjets nur, wenn im Westen das Rüstungsgeschäft floriert. Er, der Regierungschef, bleibe bei seiner „These“, ohne den Stationierungsbeschluß von 1983 wäre der INF-Vertrag mit der Sowjetunion über den Abbau von Mittelstreckenraketen nicht zustande gekommen. Welche Maßnahme der NATO Gorbatschow bewogen hat, die Sowjetarmee um 500.000 Mann zu verkleinern und sechs Panzerdivisionen abzuziehen, sagte Kohl nicht.

Angesichts des angekündigten Truppenabzuges in Osteuropa befürwortete der SPD-Verteidigungsexperte Erwin Horn einen Teil-Abzug der Amerikaner aus Westeuropa. Dies würde der Bundesrepublik die Entscheidung erleichtern, den Wehrdienst nicht auf 18 Monate zu verlängern sondern auf 12 Monate zu verkürzen. Mit dem Gedanken eines Abfluges der GIs aus Europa mögen sich die Amerikaner nicht anfreunden. Noch am Freitag hatte der designierte US-Verteidigungsminister John Tower in Washington erklärt, er sei nicht dafür, in nächster Zeit US-Truppen aus Europa abzuziehen.

Kampagne gegen Tiefflüge

Während Kohl sich am Wochenende mit ganzer Kraft vor seinen „ganz vorzüglichen Minister“ Rupert Scholz stellte, fühlten sich die Tieffluggegner „unerträglich provoziert“ durch die beiden Herren. Gegen den am 2.Januar erneut beginnenden Tiefflugterror hat sich eine bundesweite Aktionsgemeinschaft gebildet. Ihr Ziel: Verlängerung des Moratoriums bis zum endgültigen Stopp der Tiefflüge. Mahnwachen und andere Aktionen aus Anlaß der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zu Remscheid am kommenden Donnerstag sollen in Bonn und anderswo den Auftakt bilden. Nicht mit Silvester-Raketen, sondern mit Fesselballons und Frisbees wollen die Initiatoren das „Jahr der ZivilistInnen und der politischen Bruchlandung für die Herren Kohl und Scholz“ beginnen.

Petra Bornhöft

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