„Die USA sind zu sehr an der Demokratie interessiert“

Oberst Orlando Zepeda, zuständig für die Aufstandsbekämpfung in der Hauptstadt, über die Guerilla und ihre zivilen Komplizen  ■ I N T E R V I E W

taz: Wie wirkt sich die Zunahme der Guerillatätigkeit in der Stadt auf die Einsatzkapazität der Armee aus?

Orlando Zepeda: Sie betrifft uns sehr, da wir die wirtschaftiche Infrastruktur schützen müssen. Wir werden durch defensive Aufgaben gebunden: Schutz von Bussen, Telefonen, Umspannwerken... 65 Prozent unserer Truppen sind dafür abgestellt.

Auf nationalem Niveau oder hier in San Salvador?

National. Hier habe ich mindestens 70 Prozent in Verteidigungspositionen. Jetzt müssen wir außerdem die Kaffee-Ernte in der Zone des San-Salvador-Vulkans decken. Ich muß auch Truppen für Einbringung und Verarbeitung des Zuckerrohrs abstellen. Dadurch sind 85 bis 90 Prozent außer Gefecht. Es bleibt uns kaum Personal, die FMLN auszuforschen und zu verfolgen.

Wie kann man mit so wenig Personal dem Krieg in der Stadt begegnen?

Man muß sowohl dem Kampf auf dem Land als auch dem halb heimlichen Kampf in der Stadt begegnen. Ich spreche von „halb heimlich“, weil wir wissen, daß hinter den Demonstrationen, Streiks und Arbeitsniederlegungen marxistische Agenten stecken, hinter Anführern wie Julio Cesar Portillo, Marco Tulio Lima, Febe Velasquez (Mitglieder des Exekutivkomitees des linken Arbeiterdachverbandes UNTS) eine bewaffnete Sicherheitsstruktur steckt. Ich glaube, wir müssen bei der Anwendung der Gesetze anspruchsvoller sein. Wir haben einen Plan zur Neustrukturierung der Einheiten: Um effizient zu arbeiten, kann man nicht mehr mit der klassischen Schwadron von 15 Mann operieren. Straßensperren, Absperrung von Zonen, Durchsuchungen, Fahrzeug- und Personenkontrollen müssen die Bewegungsfreiheit der Terroristen einschränken.

Die Hausdurchsuchungen der letzten Wochen waren nicht durch Untersuchungsbefehle gedeckt. Das ist doch ungesetzlich.

Ich glaube nicht. Das Gesetz sagt, wenn es Beweise gibt oder starke Verdachtsmomente, kann man eine Durchsuchung veranlassen. Dann legt man eine Akte an über alles, was man gefunden hat, und übergibt sie dem Gericht. Wenn man nichts findet, dann sagt man, aus diesem oder jenem Grund mußten wir einschreiten.

Vor kurzem wurde das Lokal des Genossenschaftsdachverbandes COACES durchsucht. Was hat man dort gefunden?

In dem konkreten Fall wurden Beweise vernichtet. Marco Tulio Lima hat keine Auskunft darüber gegeben, was er dort verbrannte. Wir fanden Militärstiefel und Propaganda gegen die Regierung. Wir hatten Informationen, daß dort verdächtige Fahrzeuge hielten, die in der Nacht Pakete abluden, und daß viele Leute dort aus und ein gingen.

Die USA sind der Meinung, daß es in El Salvador letzten Endes eine politische Lösung geben muß. Was halten Sie davon?

Von einer politischen Lösung zu reden heißt, einen Teil der Macht abgeben, in die Geschicke des Landes eingreifen. Das einzige, was wir anbieten können, ist, daß die Guerilleros sich ins Zivilleben eingliedern. Aber den Comandantes Ministerien anzubieten oder gar ihre Truppen mit unseren zu einer gemeinsamen Armee zu verschmelzen ist unmöglich, das wäre gegen die Verfassung, außerdem unmoralisch und gegen jede patriotische Gesinnung.

Und die Etappenlösung, wie sie die Convergencia Democratica (Bündnis der gemäßigten Linken) vorschlägt: ein Prozeß, in dem jede Seite ein bißchen nachgibt, bis Bedingungen für faire Wahlen geschaffen werden?

Ich glaube, das ist Demagogie. Ungo und Zamoras (Präsident und Vizepräsident der mit der FMLN verbündeten FDR, die gleichzeitig Spitzenkandidaten der Convergencia Democratica sind) sind ja schon da und machen Wahlkampf, als ob sie korrekte und ehrliche Bürger wären. Sie fordern bessere Bedingungen für ihre bewaffneten Kameraden, das ist demagogisch. Man hat ihnen schon zuviel gegeben: indem man ihnen verziehen hat, daß sie Brücken gesprengt haben.

Aber Ungo hat doch keine Brücken gesprengt.

Er ist mitverantwortlich, weil er an den Entscheidungen teilnimmt.

Es war also ein Fehler, die Führer der FDR ins Land zu lassen?

Es war kein politischer Fehler, denn wir versuchen, die bewaffnete von der nichtbewaffneten Front zu trennen. Aber beide sind schlecht, unmoralisch, unpatriotisch. Es ist also gut, daß sie da sind, aber sie sollen nicht kommen, um irrationale Massen aufzuwiegeln oder Weisungen der FMLN auszuführen. Wenn sie das tun, werden sie von der Geschichte und vom Vaterland als die größten Verräter gerichtet werden.

Ist es möglich, gleichzeitig einen Krieg zu gewinnen und die Demokratie zu festigen?

Man muß den großen Zielen Vorrang einräumen. Ich habe die USA gewissermaßen kritisiert, weil sie zu sehr an den Segnungen der Demokratie interessiert sind, an einer Dekokratie bis zum Exzeß. Wenn ein Klima des Krieges herrscht, wird die Demokratie schwach. Einen Krieg in einem demokratischen Klima zu gewinnen ist schwierig. Deswegen zieht sich der Konflikt hier so lange hin. Solange Nicaragua und Kuba die FMLN mit Waffen versorgen, wird dieser Krieg weitergehen. Wir können nicht in Nicaragua einmarschieren oder hier eine Diktatur einrichten, die alle Bürgerrechte aufhebt. Das können wir nicht machen.

Das Interview führte Ralf Leonhard, San Salvador