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Marmor, Stein und Eisen bricht...

■ ...aber unsre Eintracht nicht / Schalker Verhältnise werden in Frankfurt mühelos in den Schatten gestellt Nach der Entlassung von Csernai sucht die furioseste Truppe der Bundesliga einen neuen Trainer

Frankfurt (taz) - Vorab eine Entschuldigung: heute ist Freitag. Erscheinen wird dieser Artikel am Dienstag. Legt man die durchschnittliche Ereignisgeschwindigkeit im Hause Eintracht Frankfurt zugrunde, muß man davon ausgehen, daß in drei Tagen schon wieder alles ganz anders aussieht. Dies bitte ich wohlwollend zu berücksichtigen. Hier also die Fakten, Stand 16.12., 15 Uhr 34.

Vor mehr als 29 Jahren, im Sommer '59, wurden die Fußballer der Frankfurter Eintracht zum ersten und letzten Mal deutscher Meister, im Endspiel ausgerechnet in Berlin, ausgerechnet gegen die Offenbacher Kickers. Im selben Stadion wurde die Eintracht vor sieben Monaten deutscher Pokalsieger, durch ein Freistoßtor des Zaubergeigers aus Ungarn, der jetzt in Griechenland um seine Millionen bangt, aber das ist eine andere Geschichte. In der laufenden Bundesligasaison hält die Eintracht diverse Rekorde. Als einzige Mannschaft hat sie bereits zwei Trainer entlassen. Als einzige Mannschaft hat sie nach der Vorrunde eine einstellige Trefferquote aufzuweisen. Als einziger Verein hat die Eintracht in dieser Saison bereits drei Präsidenten erlebt. Trotzdem steht sie derzeit nicht auf einem Abstiegsplatz.

Nicht meßbar ist das Ausmaß an Häme, das sich seit einigen Monaten über diesen Club ergießt, auch und gerade von Leuten, die sich stets einer absoluten Loyalitätspflicht unterworfen hatten. Ganz Deutschland hat sich im Herbst amüsieren können über die Boxeinlage bei der Jahreshauptversammlung, die via Tagesthemen bundesweit den Beweis geführt hat, daß Schalker Verhältnisse in Frankfurt locker in den Schatten gestellt werden. An jenem denkwürdigen Novemberabend wurde ein Mann zum Vereinspräsidenten gekürt, der mittlerweile schon wieder zur Fußnote geschrumpft ist. Waschstraßen-Wolf hatte palastrevoltenmäßig Gebäudereinigungs-Gramlich abgelöst.

Zwar weinte dem smartassigen Gramlich niemand eine Träne nach, zumal er laut Frankfurter Volksmund ohnehin nur Präsident geworden war, weil sein Vater Rudi dieses Amt in Wirtschaftswunderjahren innehatte, der Sohn aber stets nur als geschäftstüchtig, nicht aber integer und herzerwärmend galt. Joseph Wolf wiederum war ein völlig unbeschriebenes kleines Blättchen, das wollte auf Dauer auch keiner. So wurde der Ersatz-Gramlich gewählt, der Devisenmillionär Matthias Ohms, der wenigstens Sponsorqualitäten vorzuweisen hatte, dazu eine halbwegs hübsche Ehefrau, die mal Rekordschwimmerin war.

Noch qualifizierter ist natürlich der neue Vize, der Mann, der unsere zweite Weltmeisterschaft mit seiner legendären Schwalbe in die Wege geleitet hat, '74 in München, der Mann, der auch im Sitzen Tore machen konnte, der Linguist aus dem Westerwald („Isch möschte meine zwansischjährische Broffierfahrung der Eindrachd zuguude kommen lassn“), Bernd Hölzenbein. Wer, wenn nicht er, sollte wieder Lokalkolorit, Schlitzohrigkeit und Bodenständigkeit in eine von Trostlosigkeit geprägte Szene bringen.

Eintrachts einziger Klassemann ist derzeit ein psychotischer Fangkünstler, jederzeit Amok- und platzverweisverdächtig, Uli Stein. Eintrachts Liebling: ein 34jähriger Fleißarbeitsvorstopper aus Dossenheim, CDU -Wahlhelfer, sekundärtugendmäßig ganz weit vorne, der treue Charly Körbel; Eintrachts einziger Nationalspieler (doch, doch, Olympiaauswahl, Seoul, Spiel um Platz drei und vier) ein braver Mittelstreckler, zäh, ausdauernd, ja Fußball spielt er auch manchmal, Namen habe ich vergessen. Und sonst: ein eingedeutschter Engländer, der phantastisch weit einwerfen kann; zwei eingedeutschte Polen, darunter der Sprinterkönig und Ballfeind Turowski; ein Norweger, der sich in jedem Spiel viel Mühe gibt; ein Loddellookalike aus Bochum; ein 800.000-Markseinkauf von der HSV-Reservebank, der nicht viel verdient und ein 300.000-Markseinkauf von der HSV-Reservebank, den man den bestbezahlten Rentner der BRD nennt.

Dem glücklos bemühten Wikinger Andersen hat man eigens für schlappe 3,5 Millionen seinen Expartner Dieter „Overstolz“ Eckstein von der Noris zur Seite gestellt. Seit sie zusammenspielen haben sie auch schon ein Tor gemacht und viel „gepafft, gezockt und gesoffen“, wenn man Nürnberger Stimmen glauben darf. Dirigiert wurde dieses furiose Ensemble bis vor ein paar Tagen von Old Seidentuch, dem noch nie geliebten Ungarn, Csernai. Er kannte Frankfurt noch aus Lorantzeiten, sein Landsmann und 54er-Vizeweltmeister -Mittelläufer Gyula hatte seinerzeit mit der Eintracht den Bundesligarekord von 20 Spielen ohne Niederlage aufgestellt, wurde dann vom FC Bayern geheuert und gefeuert, was Assi Pal in die Lage versetzte, Europas bestbestückte Vereinsmannschaft zu diversen Titeln zu geleiten („Die Bayern hätt‘ ich damals vom Telefon aus trainiert“, meint Max Merkel nicht ganz zu Unrecht).

Rauheres Pflaster bekam dem stets Intellekt- und Arroganz -verdächtigen Csernai gar nicht gut, in Dortmund mußte er ebenso scheitern wie in Frankfurt, der Stadt mit dem unverwüstlichen Ärmelaufkrempeln-Finanztüchtigkeits -Biedersinn, der in Krisensituationen natürlich alles andere brauchen kann, als einen verwöhnten Fußballkenner, der langsam seine Karriere ausplätschern lassen will. So wurde der Ungar volkstümelnd geopfert. Jürgen Friedrich, Ex -Eintrachtspieler, Ex-Lauternpräsident, Gramlich-Freund (selber Barbier, selber Herrenausstatter), Herrenausstatter und Managernachfoger des unglücklichen, unbegabten, unsympathischen und unfähigen Wolfgang „Scheppe“ Kraus, der vom gräßlichen und erfolgreichen Uli Hoeneß sämtliche negativen und keine positiven Eigenschaften mitgebracht hatte, und der in einem beispiellosen Akt seine Kündigung durchs Klofenster geworfen bekam, Jürgen Friedrich also sucht nun einen Nachfolger für Csernai und Feldkamp.

Friedrich wollte gleich in alter Kumpanentreue seinen lauterer Ex-Spielmacher Hannes Bongartz aus Zürich abwerben. 'Bild'-Frankfurt hatte schon Vollzug gemeldet, Bongartz sei der Richtige, weil ehrgeizig, guter Techniker (mit Heinz Flohe hatte der hagere Wattenscheider einst den „Übersteiger“ zu nie mehr gesehener Perfektion gesteigert), und „nicht zuletzt, weil er auf Frauen wirkt“, ein Urteil, das noch aus der Zeit vor Bongartzens Mutation vom Spargeltarzan zum Teiggesicht datiert.

Nachdem sich der Plan Bongartz zerschlagen hat, überschlagen sich derzeit die Spekulationen: Olympiacoach und „Eurocops„-Darsteller Hennes Löhr hat seine Frau vorgeschickt, kein Interesse, der Wunschkandidat der liebe -ralen 'Frankfurter Rundschau‘ ist wie immer in den letzten 20 Jahren der verdiente thüringische Fußball-Lehrer Dietrich Weise, der schon deswegen ausscheidet; und die Frankfurter Naturfreunde und Jusos werden sich mit ihrem Kandidaten Reinhard Saftig wohl auch nicht durchsetzen können. Somit steht nichts mehr einem Trainer entgegen, den die Eintracht in dieser Stunde so verdient hat wie der Teufel das Weihwasser: Klaus Schlappner.

Klaus Walter

Nachtrag der Redaktion: Die Eintracht hat einen neuen Trainer; es ist Jörg Berger, der frühere Auswahltrainer der DDR.

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