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In Israel ist der erste Schock vorbei

In der Arbeiterpartei mehren sich Stimmen für einen Dialog mit Palästinensern / Lösungsvorschläge gehen bisher über eine Autonomie nicht hinaus / Koalitionsverhandlungen vor dem Abschluß / Konflikt über die Anzahl neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Langsam erwacht Israel aus dem Schock, den die ereignisreiche letzte Woche ausgelöst hatte. Nach der ersten Bestürzung über die Aufnahme von Gesprächen zwischen den USA und der PLO vernimmt man nun auch realistische Stimmen, die fordern, Israel müsse sich mit konstruktiven Vorschlägen der neuen politischen Wirklichkeit anpassen.

Am weitesten ging Außenminister Shimon Peres, der am Sonntag seine erste Ablehnung der US-amerikanischen Kehrtwende kurzerhand revidierte und in einem Interview sagte, er sei bereit, mit jedem Palästinenser zu reden, der nicht in Terrorismus verwickelt sei, wie immer seine Vergangenheit ausgesehen habe. „Wir erkennen das palästinensische Volk an, ihre Rechte, und sind bereit, uns mit ihnen zusammenzusetzten“, erklärte Peres. Die Palästinenser sollten die Intifada für eine Zeit aussetzen, das wäre für Israel das Zeichen, daß sie Friedensverhandlungen führen wollten. Die PLO erwähnte der Außenminister nicht.

Das Feld vorbereitet hatten andere: General Ezer Weizmann, Minister für besondere Aufgaben und Mitglied der Arbeiterpartei, redete vom „Beginn einer neuen Ära“, zweihundert seiner Parteifreunde sprachen sich am Sonntag offen für Gespräche mit der PLO aus, und zwei andere Minister der Arbeiterpartei, Gad Jaakobi und Mosche Shahal, zogen den alten Autonomie-Plan für die besetzten Gebiete wieder aus der Schublade. Shlomo Avineri, Professor für Politologie an der Universität von Jerusalem und ehemaliger Generaldirektor des Außenministeriums, ist der Ansicht, daß „etwas Drastisches“ angebracht ist. Er denkt beispielsweise an eine Einladung des PLO-Chefs nach Jerusalem, wo er der Knesset seine Friedensvorschläge vortragen solle, um so die Probe aufs Exempel zu machen, wie ernst Yassir Arafat es mit der Anerkennung des jüdischen Staates wirklich meint.

Die meisten führenden Politiker Israels wollen allerdings unter gar keinen Umständen mit der PLO reden. Seit die USA die Vorbedingungen für Verhandlungen mit der PLO nach dem Auftritt Arafats in Genf als erfüllt ansieht, hat auch Israel sie im Laufe einer Nacht fast unbemerkt fallenlassen.

Doch gleichzeitig wurde eine neue Barrikade gegen Gespräche mit der PLO errichtet: Die PLO sei ein Verein von unverbesserlichen Terroristen, denen man keinen Glauben schenken könne, und außerdem seien jedwede Gespräche überflüssig, da die PLO eine Zwei-Staaten-Lösung wolle, was Israel aber keinesfalls zulassen werde. Aber die Regierung in Jerusalem ist sich darüber im klaren, daß sie politische Alternativen unterbreiten muß. Eine Möglichkeit wäre die Ausrufung einer „einseitigen Autonomie“ für die Palästinenser in den besetzten Gebieten, ein altes Projekt der Arbeiterpartei. Wie Mosche Shahal jetzt erklärte, soll die „einseitige Autonomie verhindern, daß irgendwann einmal ein palästinensischer Staat entsteht“. Eine von Außenminister Peres eingebrachte Variante dieses Plans, Wahlen in der Westbank und dem Gaza-Streifen abzuhalten, hat wenig Aussicht auf eine Mehrheit in einer großen Koalition. Denn bei freien Wahlen würden vor allem PLO-Leute in die Organe der Selbstverwaltung einziehen.

Politische Differenzen über die Zukunft der besetzten Gebiete haben die Koalitionsverhandlungen zwischen dem Likud -Block und der Arbeiterpartei erschwert. Konfliktträchtig war die Frage, wieviele neue jüdische Siedlungen errichtet werden sollen. Die rechtsgerichtete Tehiya-Partei forderte den Bau von 40 Niederlassungen. Dennoch wurde am Montag davon ausgegangen, daß die Regierungsbildung unmittelbar bevorsteht. Ministerpräsident Jitzhak Shamir hatte am Sonntag gedroht, er werde Montag abend eine Vereinbarung mit den rechten und religiösen Parteien unterzeichnen, falls die Arbeiterpartei bis dahin nicht zu Potte gekommen ist.

Gerechnet werden muß jetzt auch mit der Möglichkeit von „nicht diplomatischen“ Alternativen Israels, einerseits, um die Gespräche zwischen den USA und der PLO zu torpedieren, andererseits, um die Intifada zu beenden, denn bislang gibt es keinerlei Anzeichen für ein von Peres gewünschtes „Aussetzen“.

Eine der politischen Rechtfertigungen lautet: Nur wenn Ruhe herrscht und Israel die besetzten Gebiete wieder ganz in Griff bekommt, können „gemäßigte arabische Persönlichkeiten“ gefunden werden, die keine PLO-Vertreter und bereit sind, mit Israel „Zwischenlösungen“ auszuhandeln. Eine solche „Zwischenlösung“ könnte dann möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt durch Gespräche mit Jordanien in eine endgültige Lösung verwandelt werden - ein altes Konzept, das seit dem Camp-David-Abkommen in den Köpfen führender israelischer Politker herumspukt.

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