Quecksilber in Frankfurter Boden

Gutachten belegen: Fast jedes zehnte Gramm ist reines Quecksilber / Die Frankfurter Umweltbehörden vertuschten unglaubliche Quecksilberverseuchung / Die Werte sind seit Februar bekannt  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Wer dieser Tage in Frankfurt die Telefonnummer 2125422 wählt, erfährt „vom Gesundheitsamt“, daß die seit einigen Wochen öffentlich gewordene Quecksilberverseuchung im Stadtteil Griesheim ganz bestimmt nicht schädlich ist. Das Battelle-Institut sah das schon Anfang des Jahres anders. Der Frankfurter Umweltdezernent Daum muß es auch anders gesehen haben, denn er gab dem Institut bereits vor dem 30. November 1987 einen ersten Auftrag, den Boden der Firma Ellwenn & Frankenbach zu untersuchen. Das Ergebnis lag bereits am 18. Dezember 1987 auf dem Tisch. Zwei weitere Gutachten kamen im Februar 1988 dazu. Sie wurden den Grünen im Römer erst jetzt zugespielt.

Und sie enthalten beängstigende Werte: In 20 Zentimeter Tiefe fanden sich 74 Gramm Quecksilber pro Kilogramm Erdreich. Mittlerweile wurde auch gebohrt: In über 20 Metern stiegen die Funde auf 100 Gramm pro Kilogramm an. Schon bei zwei Milligramm pro Kilogramm ist nach der „Holländischen Liste“, die für Sanierungsbewertungen herangezogen wird, eine Bodensanierung erforderlich. Außerdem fand sich eine breite Palette anderer Umweltgifte, unter anderem Kadmium und die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Die Firma Ellwenn & Frankenberg betrieb auf dem 1.200 Quadratmeter großen Gelände „An der Schildwacht“ seit 1972 eine Quecksilber-Aufbereitungsanlage. Sie gewann flüssiges Quecksilber aus Batterien zurück und produzierte jährlich etwa 200 Tonnen. Seit 1984 gehörten der Degussa 74 Prozent der Firma, die im Jahr 1987 eine Verlängerung ihrer Betriebsgenehmigung beantragte und so die Bodenproben auslöste. Im gleichen Jahr liquidierte die Degussa die Firma aus „geschäftspolitischen Gründen“.

Die Grünen warfen dem Frankfurter Umweltdezernenten gestern vor, die Gefährdung der Bevölkerung ein Jahr lang bewußt vertuscht zu haben. Das Quecksilber sei wider besseres Wissen nicht gesichert worden. Auf Anfragen aus der Bevölkerung habe Daum ausweichend reagiert und „nichts getan“. Die Grünen forderten eine schnelle Sanierung des Geländes und seiner Umgebung. Das Erdreich müsse dann in der Deponie in Herfa-Neurode eingelagert werden, die Kosten habe die Firma zu tragen. Sie wandten sich gegen Pläne der Stadt, das Gelände unter einem Zeltdach verschwinden oder einfach asphaltieren zu lassen.

Die Firma unterhielt bisher außer der „Schildwacht“ noch sechs Sammelstellen in Frankfurt und Umgebung. Außerdem erhielt einer der Betreiber, der Unternehmer Paul Frankenbach, noch Anfang November dieses Jahres eine vorläufige Betriebserlaubnis für die „LVG Lampenverwertungsgesellschaft“, die in Höchst angesiedelt ist und Leuchtstoffröhren wiederaufbereitet.

Das Umweltministerium ließ die taz wissen, es habe sich um den Quecksilberskandal in Frankfurt, so die Sprecherin von Umweltminister Weimar, Anette Großbongart, „wegen Biblis noch nicht kümmern“ können.