Schlappe für Schröder

Mißtrauensvotum gegen Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht gescheitert / Eine Oppositions-Stimme für CDU-Regierungschef Albrecht und gegen den SPD-Kandidaten / Grüne: „Hundert Prozent für Schröder gestimmt“  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Die Mannen der CDU-Fraktion schmetterten gestern das Niedersachsenlied: Als der Sieger der Mißtrauensabstimmungen im Landtag zu Hannover zog Ernst Albrecht aus dem Parlamentsplenum in den Sitzungssaal der Landtags-CDU. „Wir sind die Niedersachsen - sturmfest und erdverwachsen.“ Und dann rhythmisches Klatschen und Hoch-Rufe: „Ernst Albrecht, Ernst Albrecht“. Mit 79 Nein-Stimmen - bei nur 76 Ja-Stimmen für den SPD-Herausforderer Gerhard Schröder - hatte der alte und neue Ministerpräsident das konstruktive Mißtrauensvotum für sich entschieden. „Das schlimmste an diesem Ergebnis ist“, so kommentierte später der grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin, „daß der alkoholisierte CDU-Hinterbänkler F. jetzt in seinem Suffkopp hier im Landtag rumjubilieren kann.“

Alle 155 niedersächsischen Landtagsabgeordneten nahmen an der geheimen Abstimmung teil. Niemand enthielt sich, und von den 77 Oppositionsabgeordneten stimmte mindestens einer oder eine mit „Nein“ - und damit direkt für Ernst Albrecht. Damit verfehlte SPD-Oppositionsführer Gerhard Schröder nicht nur sein Ziel, über das Mißtrauensvotum Neuwahlen herbeizuführen. Mit dem 76:79-Ergebnis trat das ein, was man in der SPD-Spitze nur als das äußerst unwahrscheinliche, schlimmste Ergebnis durchgespielt hatte.

Ernst Albrecht sprach denn auch am Mittag von „einem echten Sieg“. Seine Landesregierung habe im letzten halben Jahr erheblich unter Druck gestanden. „Wir sind Objekt einer Verleumdungskampagne gewesen, wie wir sie in Niedersachsen noch nicht erlebt hatten“, wiederholte der Ministerpräsident seine bekannte Presseschelte. Auch FDP-Fraktionschef Martin Hildebrandt sagte nun erstmals, „für einen sehr kleinen Teil der Presse“ sei der Begriff Verleumdungskampagne zutreffend. Es habe aber auch tatsächliche Probleme der vergangenen Regierungen gegeben, die die Koalition belastet hätten. Nach Ansicht von Ernst Albrecht haben sich durch das gestrige Abstimmungsergebnis „die politischen Bedingungen in Niedersachsen voll verändert“. Seine Regierung würde sich jetzt voll darauf konzentrieren, „Niedersachsen für das Jahr 2000 fit zu machen“.

Der vorerst im Kampf um das Ministerpräsidentenamt geschlagene Gehard Schröder kommentierte den Ausgang der Abstimmung gestern trocken: „Dies ist nicht mein Wunschergebnis, es schmerzt mich auch.“ Spekulationen darüber, wer aus den Reihen der Opposition für Albrecht gestimmt hat, „verbieten sich“ für Schröder. „Wen immer man bei solchen Spekulationen ins Auge fasse, dem könne man schreckliches Unrecht tun“, sagte der SPD-Politker. Die Fraktionsspitze hatte sich schon im Vorfeld des Wahlganges Sorgen um einige SPD -Landtagsabgeordnete gemacht, die im Falle von Neuwahlen nicht wieder ins Parlament eingezogen wären.

Anders als Gerhad Schröder schob der SPD-Landesvorsitzende Johann Bruns gestern sogleich den Grünen den „Abweichler“ unter. Er sei überzeugt davon, sagte Bruns, daß alle Sozialdemokraten bei dieser Abstimmung zusammengehalten hätten. Als Parole für die nächste Landtagswahl

gab Bruns deswegen aus, daß die SPD nur allein, ohne die Grünen die Regierung stellen könne. Die sind sich allerdings „zu 100 Prozent sicher“, daß alle ihre elf Abgeordneten gestern für Schröder gestimmt haben. Alle Grünen -Abgeordneten hätten sich vorab darauf geeinigt, ihre Jastimmen für Schröder nur mit einem ganz speziell geformten Kreuz abzugeben, sagte gestern die grüne Landtagsabgeordnete Deppe, die als Schriftführerin des Landtages auch an der Auszählung der Stimmzettel beteiligt war. Sie habe deshalb bei der Auszählung alle elf Jastimmen der Grünen wiedererkennen können. Der grüne Fraktionsvorsitzende Trittin rief gestern dazu auf, „jetzt bis zum Ende der Legislaturperiode den politischen Kampf gegen die abgewirtschaftete Albrecht-Regierung zu verstärken“. Die hannoversche Koalition aus Korruption und Skandalen sei nach diesem 19. 12. nicht besser als vorher. Nach Aussage des Ministerpräsidenten hat es vor dem Wahlgang keine Kontakte der CDU zu möglichen SPD-Überläufern gegeben. Die Überläuferstimme bei dem Mißtrauensvotum lastete Albrecht dem Verhalten von Schröder gegenüber der SPD-Fraktion an.