„Voll im Lagezentrum“

■ Geisel-Ausschuß entlastet SPD-Spitzenpolitiker: Sie haben im polizeilichen Lagezentrum wirklich nichts gemacht und auch fast nichts mitbekommen

„Als Zeuge, Herr Bürgermeister, müssen sie die Wahrheit sagen“, belehrte der Vorsitzende des Untersuchungs -Ausschusses „Geiseldrama“ gestern nachmittag den Bremer Bürgermeister. Was hat Klaus Wedemeier in jener tragischen Nacht vom 16./17.8.1988 im polizeilichen Lagezentrum gemacht, als zwei Gladbecker Bankräuber einen Bus voller Geiseln aus Bremen entführten? Warum wollte er dabei sein?

Er sei noch nie während einer Krisensituation in einem polizeilichen Lagezentrum gewesen, erläuterte Wedemeier seine Neugier. Gegen 20.30 Uhr sei er gekommen. (Da stand der Linienbus, von entsicherten Pistolen in Schach gehalten, noch in Huckelriede, es wurde verhandelt bzw. nicht verhandelt, ein Kontakt zur Verhandlungsgruppe kam bekanntlich nicht zustande). In dieser Lage wurde der Bürgermeister von dem Einsatzleiter Kurt Möller persönlich „in die Lage

eingewiesen“. Wedemeier hat dann, erinnerte er sich gestern, „an der Seite gestanden“ und das hektische Geschehen verfolgt - was geredet wurde, wer welche Rolle gespielt hat oder hätte spielen sollen, konnte er allerdings nicht mitbekommen. Nur eines: „Es war sehr voll im Lagezentrum.“ Mängel in der Koordination der Polizeibeamten sind ihm nicht aufgefallen, jedenfalls „an dem Abend nicht.“ Wenn ihn jemand hinausgebeten hätte, erklärte Wedemeier, so wäre er auch in einen Nebenraum gegangen. Immerhin habe er „vier Stunden nahezu gestanden“. Warum war sein Fahrer da? Der habe nicht am Befehlstisch gesessen, sagte Wedemeier, da habe er sich nochmals rückversichert. Er selber habe den Fahrer nicht mit ins Lagezentrum genommen, der müsse so eingelassen worden sein.

Der damalige Deputationssprecher Peter Sakuth, inzwischen Innensenator, kam gegen 22.45 Uhr, erinnert er sich. (Aus dem polizeilichen Funkprotokoll: 22.46 Uhr: “... des weiteren konnten wir die weibliche Täterin bis jetzt überwältigen... Nach Aussagen aber der bisherigen Geiseln ist einzuschätzen, daß die beiden Täter wohl durchdrehen, wenn diese Frau nicht zurückkommt...“) Sakuth wurde von niemanden in die Lage eingewiesen, er habe nur mit dem Innensenator Meyer und dem Bürgermeister - ein paar Meter vom Befehlstisch entfernt - „das übliche Begrüßungsritual gepflegt“, berichtete er. Auch er kannte die meisten der polizeilichen Führungsbeamten nicht, wußte also nicht, wer was zu entscheiden hatte. Er wollte einmal direkte Informationen haben und nicht wie bei den vorjährigen Silvester-Krawallen am Sielwall-Eck nur „aus zweiter Hand“, be

gründete Sakuth seine Neugier. Funk- und Telefonverbindungen seien „mit großer Energie gepflegt“ worden, hat Sakuth beobachtet, Einzelheiten des Geschehendsablaufes habe er aber nicht nachvollziehen können. Er habe dann die Gelegenheit genutzt, um sich mit dem ebenfalls anwesenden Staatsanwalt von Boch und Polach über „verschiedene Fragen der Polizei“ zu unterhalten, die „nicht unbedingt ursächlich“

etwas mit der Geiselnahme zu tun gehabt hätten. Nachfrage: Was hatten die damit zu tun? Sakuth: „Nichts.“

Ob dem Zeugen Sakuth (SPD) bewußt gewesen sei, in welche brisanten Situation er in das Lagezentrum gekommen sei, fragt der stellvertretende Ausschußvorsitzende Koring (SPD). Sakuth bestätigt, ihm sei das „erst im Nachhinein bewußt geworden“.

K.W.