Südafrika: Deutsche Multis fressen Kreide

Sechs bundesdeutsche Konzerne haben Abkommen über Verhaltenskodex unterzeichnet / Kein Extra-Profit durch Apartheid-Bestimmungen / Erfolg für südafrikanische Metallgewerkschaft NUMSA und IMB / IG-Metall-Chef Steinkühler vermittelte  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Sechs bundesdeutsche Konzerne wollen in ihren südafrikanischen Filialbetrieben darauf verzichten, die Apartheidgesetze gegen die südafrikanischen Gewerkschaften auszunutzen. Auf Druck der südafrikanischen Metallarbeitergewerkschaft NUMSA und des Internationalen Metallarbeiterbundes (IMB) verhandeln sie derzeit auf betrieblicher Ebene mit der Gewerkschaft über einen aus 14 Einzelpunkten bestehenden Verhaltenskodex, der den Gewerkschaften elementare Aktionsmöglichkeiten garantiert. Damit dürfte sich die rechtliche Absicherung für gewerkschaftliche Kämpfe in diesen Betrieben deutlich verbessern. Die NUMSA und der IMB verfolgen das Ziel, diese Mindeststandards in Zukunft in weiteren Zweigbetrieben internationaler Multis durchzusetzen.

Anfang Dezember haben die örtlichen Geschäftsführungen von BMW, Siemens, Volkswagen of South Africa, Mercedes Benz of S.A., Hella von S.A. und Robert Bosch zusammen mit dem Südafrikarat des IMB, in dem die NUMSA als weitaus größte südafrikanische Metallgewerkschaft dominiert, eine Vereinbarung unterzeichnet: Dort werden grundsätzlich die 14 Punkte akzeptiert, die jetzt noch in betrieblichen Verhandlungen präzisiert werden sollen. Darin verpflichten sich die Unternehmen, auf alle Vorteile zu verzichten, die durch die Apartheid-, Sicherheits- und Ausnahmegesetze des rassistischen südafrikanischen Regimes entstehen.

Die Bestimmungen im einzelnen: Die Unternehmen verzichten auf die in den Apartheidgesetzen vorgesehenen Möglichkeiten zur Ausweisung von Bewohnern der Homelands. Bei Verhaftungen aufgrund der Sicherheits- und Ausnahmegesetze des Apartheidstaates sollen den Beschäftigten weiterhin Arbeitsverhältnis und Lohnfortzahlung garantiert bleiben. Die Geschäftsführungen erklären ihre Bereitschaft, mit den zuständigen Gewerkschaften über alle den Betrieb betreffenden Angelegenheiten zu verhandeln. Die Gewerkschaften erhalten Zutrittsrecht für das Werksgelände sowie die Möglichkeit, ohne Einmischung des Managements auf dem Werksgelände Versammlungen und Abstimmungen zu organisieren. Die gewerkschaftlichen Rechte der Shop -stewards - Gewerkschaftsfunktionäre in Südafrika einschließlich bestimmter Freistellungsrechte sollen garantiert werden. Das Recht der Gewerkschaften, ihre Mitglieder bei Disziplinarverfahren zu vertreten, wird ebenso anerkannt wie das Streikrecht. Die Beteiligung an einem gewerkschaftlichen Streik soll in Zukunft kein Kündigungsgrund mehr sein.

Aufgrund der besonderen Bedingungen in Südafrika sollen die Gewerkschaften auch das Recht erhalten, friedliche Streikposten auf dem Werksgelände (statt vor den Toren) zu postieren. Die sechs Firmen verzichten weiterhin darauf, undemokratische Beschlüsse des in Südafrika bestehenden Industrial Council Systems zur Illegalisierung von Streiks einzusetzen und alle Arbeitskonflikte, bevor sie der südafrikanischen Justiz überantwortet werden, zunächst einer von Unternehmen und Gewerkschaften akzeptierten Schlichtungsstelle vorzulegen. Schließlich enthält der Katalog noch die Zusicherung, das Wohnrecht der Beschäftigten in Herbergen und Betriebsunterkünften solange nicht zu gefährden, wie das Arbeitsverhältnis nicht eindeutig beendet ist. Diese Standards sollen nicht nur in den unmittelbaren südafrikanischen Tochterunternehmen der sechs Konzerne eingehalten werden, sondern auch in den südafrikanischen Zweigstellen ihrer deutschen Tochterunternehmen sowie in südafrikanischen Firmen, an denen die Konzerne maßgeblich beteiligt sind. Die südafrikanischen Geschäftsleitungen müssen sich verpflichten, eine Kopie ihres Jahresberichts an die deutsche Muttergesellschaft und an die Shop-stewards der südafrikanischen Tochterunternehmen weiterzugeben.

Von den südafrikanischen Gewerkschaften wird die Übereinkunft als überraschender Erfolg gesehen. Zur Unterstützung dieser Initiative war der IG-Metall-Chef Franz Steinkühler im Herbst nach Südafrika gefahren. Eine weitere Reise im Dezember war zeitweise erwogen worden, dann aber aufgrund der überraschend zügigen Einigung vorerst abgeblasen worden.

In den jetzt angesetzten Verhandlungen zwischen den einzelnen Konzernen und den betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen wird es, nach Einschätzung eines vor Ort anwesenden IG-Metall-Vertreters, keine größeren Schwierigkeiten mehr geben, obwohl durchaus Unklarheiten in dem Anfang Dezember unterzeichneten Vorabkommen enthalten sind. In einigen Firmen gibt es bereits Abkommen mit der NUMSA, in denen diese als legitime gewerkschaftliche Vertretung anerkannt wird. Diese Abkommen müssen nun mit den 14 Punkten des Vorabkommens in Übereinstimmung gebracht werden.

Die NUMSA und der IMB sehen in dem Abkommen ein Signal für eine Verallgemeinerung der grundlegendsten Gewerkschaftsrechte in den südafrikanischen Metallbetrieben. In einem nächsten Schritt soll versucht werden, weitere, auch kleinere deutsche Unternehmen zur Anerkennung der 14 Punkte zu bewegen. Auf mittlere Sicht will der IMB alle großen internationalen Multis der Metallbranche zu einer Zusicherung zwingen, daß aus den rassistischen Apartheidgesetzen Südafrikas kein Extra-Profit geschlagen werden darf und die in den 14 Punkten enthaltenen Mindeststandards in bezug auf die gewerkschaftlichen Rechte allgemein akzeptiert werden.