Grüne Arbeitsbrigade im Flüchtlingsheim

Katastrophale Zustände im Flüchtlingswohnheim auf der Burg Wernberg in der Oberpfalz / Als „Zeichen der Hoffnung“ montierten bayerische Landtagsgrüne Toilettendeckel und ein Spülbecken / Landtagsanfragen flankieren Arbeitseinsatz  ■  Aus Wernberg Bernd Siegler

Eine Idee setzt sich durch: Nachdem die grüne Stadtratsfraktion von Aachen den Stadtwald von Wohlstandsmüll säuberte, schritten gestern auch Mitglieder der Landtagsfraktion der bayerischen Grünen zur Tat. Nicht als Strafarbeit, auferlegt von zuständigen Gerichten wegen verbotswidrigem Aufrufes zum Volkszählungsboykott - wie in Aachen. Schockiert von den Zuständen im Flüchtlingswohnheim auf der Burg Wernberg (Oberpfalz) wollten die bayerischen Grünen vor dem Fest ein „Zeichen der Hoffnung“ setzen, „daß die menschliche Zivilisation in Bayern auch dort nicht ihr Ende gefunden hat“. Eine Mini-Arbeitsbrigade von zwei Landtagsabgeordneten und vier Fraktionsmitarbeitern machte sich in der Oberpfalz ans Werk.

Die Androhung des grünen Arbeitseinsatzes hatte jedoch schon vorher Wirkung gezeigt. Aus der Landeshauptstadt wurden zehn Toilettendeckel, mehrere Kübel mit Wandfarbe, Tapetenrollen, ein Waschbecken, Decken und kistenweise Bananen und Apfelsinen importiert. Was jahrelang von der für Flüchtlinge zuständigen Regierung der Oberpfalz als unmöglich bezeichnet worden war, soll jetzt bis spätestens Ende Januar abgeschlossen sein. Eine verstopfte Dachrinne, die die Ursache dafür ist, daß die Wände im Zimmer der libanesischen Familie Jaffar schwarz vor Schimmel sind, soll noch vor Weihnachten vom Landbauamt gereinigt werden. Seit fünf Jahren weist die Familie auf die defekte Dachrinne hin, nichts geschah. Die 19-jährige Tochter Lina leidet aufgrund der Feuchtigkeit an einem chronischem Gelenkrheuma und einer Hautkrankheit.

Auch die Renovierung eines Duschraumes bleibt den grünen Handwerkern erspart. Jahrelang bestanden die „Duschen“ nur aus Schläuchen, aus denen entweder ganz heißes oder eiskalten Wasser kam. Trennwände zwischen den Duschen fehlen - wie übrigens auch zwischen allen Toiletten. Teilweise ist eine Toilette für bis zu 25 Personen vorgesehen. Der Boden der Dusche ist wasserdurchlässig, der Toilettenboden hat keinen Abfluß, die Feuchtigkeit vom Putzen tritt wenig später im Untergeschoß an der Decke wieder aus. All dies soll bis Ende Januar beseitigt sein. Die Grünen werden das überprüfen.

Teilweise leben in Wernberg fünf Inder in einem 12 Quadratmeter kleinem Raum. Auch die Nahrungsversorgung für die 100 auf der Burg lebenden Flüchtlinge, unter denen sich 25 Kinder befinden, läßt zu wünschen übrig. „Die eine Tochter hat Durchfall, die andere Bauchweh“, klagt eine Libanesin. Das Essen liefert, wie bei allen Flüchtlingsunterkünften in der Oberpfalz, die in Wernberg ansässige Großküche „Fernküche-Fertig-Menü-GmbH“. Sie wirbt mit dem Slogan “... täglich frisch“. Frisch ist an dem Essen nichts. Bei Wurstkonserven ist das Verfallsdatum durchgestrichen und mit einem späteren Datum neu bedruckt. Frisches Obst und Gemüse sind Mangelware, statt dessen werden die Flüchtlinge jede Woche mit mehreren Kilogramm Trockenlinsen beliefert. Die Packungen stapeln sich in den Zimmern.

Eine kindergerechte Ernährung gibt es ebensowenig wie z. B. Schonkost oder Kost für Diabetiker. Letztere erhalten als Ausgleich 50 Mark monatlich. Die im Bundessozialhilfegesetz zulässige Ausgabe von Wertgutscheinen anstatt von Fertiggerichten wird den Flüchtlingen in der Oberpfalz verweigert. Den Grund hierfür wollen die Grünen mit einer Landtagsanfrage erfahren. Auch warum die Firma „Fernküche -Fertig-Menü“, die mit der Belieferung der Flüchtlinge einen Jahresumsatz von mehr als fünf Millionen Mark erzielt, den entsprechenden Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung erhalten hat, soll eine Anfrage klären.

Doch die Grünen haben erkannt, daß Anfragen und Papierkriege mit den zuständigen Stellen hier in Wernberg nicht ausreichen. Sofortmaßnahmen sind notwendig. So montieren sie unter den kritischen Augen von Bürgermeister Ludwig Unsicker, der vor vier Jahren sensationell den amtierenden CSU-Mann ablösen konnte, Toilettendeckel und eine neue Spülgelegenheit in der Küche. Vorher, so Unsicker, sind alle Wernberger Privatinitiativen zur Linderung der Zustände regelmäßig von der Regierung abgeblockt worden.