„Israel muß flexibel sein“

Robert K. Lifton, Präsident des American Jewish Congress, über die Erwartungen deramerikanischen Juden an die neue Regierung  ■ I N T E R V I E W

taz: Laut den letzten Meldungen wird es abermals eine von der Arbeitspartei und dem Likud getragene Regierung in Israel geben. Welche Auswirkungen wird dies auf die Suche nach einer diplomatischen Lösung des israelisch -palästinensischen Konflikts haben?

Lifton: Ich glaube, die Koalitionsregierung geht auf die Einsicht der beiden großen Parteien in Israel zurück, daß die Regierung aus den Händen der kleinen religiösen Parteien genommen werden muß. Zweitens bedeutet es - das hoffe ich zumindest -, daß nun eine Wahlrechtsreform in Angriff genommen wird, die in Zukunft die Rolle der kleinen Parteien reduziert. Es könnte auch heißen, daß die Frage, wer als Jude betrachtet werden kann, hinfällig ist, einen Frage, die zu Spannungen mit der amerikanischen jüdischen Gemeinde geführt hat. Unter den gegebenen Umständen ist es eine gute Entwicklung. Wie so oft im Nahen Osten, ist es die am wenigsten schlechte Lösung. Das schlimmste wäre eine Regierung gewesen, die von einer Minderheit getragen wird. Sie hätte weder die Flexibilität besessen, auf Friedensinitiativen zu reagieren, noch hätte sie die volle Unterstützung der Juden in der Diaspora erhalten. Eine Regierung der nationalen Einheit wird hingegen gezwungen sein, auf Friedensinitiativen zu reagieren.

Unterstützen Sie, unterstützt Ihre Organisation Premierminister Shamirs Haltung zu Verhandlungen und auch zu einer internationalen Nahost-Konferenz?

Unsere Organisation war die erste unter Juden in den USA, die sich deutlich für einen territorialen Kompromiß und eine internationale Konferenz ausgesprochen hat, falls direkte Verhandlungen (zwischen Israel und den arabischen Staaten, d.Red.) nicht zustande kommen würden. Es ist möglich, daß Shamir einer Nahost-Konferenz zustimmen würde, an der nicht alle Mitgliedsstaaten des UNO-Sicherheitsrates beteiligt sind. Er hat sich weder hier noch in Israel deutlich ausgedrückt, und es ist unklar, inwieweit er nur um eine gute Ausgangsposition bemüht ist, bevor es zu Sondierungen kommt.

Welche Äußerungen erwarten Sie aus den Reihen der amerikanischen Juden zu den nächsten Schritten, die Shamir zu tun hat?

Die Entscheidung, was getan werden muß, kann nur Israels Entscheidung sein; die jüdische Gemeinschaft in den USA und in der Diaspora sollte da niemals Vorschriften machen. Wir können nur sagen, welche Schritte wir gerne sähen. Ich sähe gern, daß die Chancen, die sich bieten, aufgegriffen würden, die Risiken jedoch vermieden. Die Chancen sind, sich als versöhnlich zu zeigen, deutlich zu machen, daß man zu Verhandlungen bereit ist. Wenn man dazu die Grundlagen für derartige Verhandlungen benennen muß, so hoffe ich, daß Israel dies tut. Ich hoffe, daß Israel zeigt, daß es flexibel ist und nicht denjenigen in die Hände spielt, die immer sagen, Israel wolle die Territorien um jeden Preis als Teil eines „Groß-Israel“ behalten. Es ist ein viel größeres Risiko, nichts zu tun, als sich auf eine internationale Konferenz einzulassen und sie möglicherweise scheitern zu lassen.

Die jüdische Gemeinschaft in den USA hat die Haltung der Regierung in Israel zu Friedensverhandlungen und den Umgang mit dem palästinensischen Aufstand kritisiert. Was wird dazu in der nächsten Zeit zu hören sein?

Es ist sehr wichtig, sich darüber klarzuwerden, daß es keine schnellen Lösungen gibt. Dieses Problem hat eine vierzigjährige Geschichte, die voller Besorgnis, Furcht, Haß und Zorn gewesen ist. Das wird sich nicht über Nacht ändern, nur weil Herr Arafat endlich und mit großer Mühe einige magische Worte gemurmelt hat und weil die USA, aus diplomatischen Zwängen heraus, sich entschlossen haben, diese Worte als das zu betrachten, was sie hätten hören wollen. All dies hat die Bedingungen vor Ort nicht verändert, es kann nur ein erster vorläufiger Schritt sein, den Friedensprozeß voranzubringen. Die PLO sollte ihrerseits die Chance ergreifen, einige vertrauensbildende Maßnahmen zu beschließen, so wie damals Sadat zunächst ein Klima des Vertrauens geschaffen hatte. ich denke da an die PLO-Charta, die die Zerstörung des Staates Israel fordert, oder an eine Rück nahme der UNO-Resolution, die Zionismus und Rassismus gleichsetzt. Das wäre ein außerordentliches Signal.

Das Gepräch führte Stefan Schaaf