Gift für Devisen nach Angola

■ Basler Geschäftsmann will Westafrika Brennöfen und eine Wüstendeponie für Giftmüll aus den Industriestaaten bescheren / Zwei Milliarden Dollar für Bau-Erlaubnis / Vertragsunterzeichnung am Zweiten Weihnachstag / Erst wird das Gift geliefert, dann die Öfen

Basel (taz) - Rund fünf Millionen Tonnen Giftmüll sollen nach dem Willen eines Basler Geschäftsmanns in den kommenden Jahren nach Angola exportiert werden und dort verschwinden. In dem vom Bürgerkreig zerrütteten westafrikanischen Küstenstaat sollen drei riesige Spezial-Verbrennungsöfen gebaut und in der Wüste eine unterirdische Deponie angelegt werden. Einen entsprechenden Vertrag mit der Regierung in Luanda will Arnold Andreas Kuenzler nach eigenen Angaben am 26.Dezember abschließen; ein Vorvertrag sei bereits im November gezeichnet worden. Zwar stehen Machbarkeit und Finanzierung seines Projektes noch in den Sternen. Doch erste „Materiallieferungen“ sind offenbar schon gebucht auch aus der Bundesrepublik.

Zwar wird derzeit unter schweizerischer Federführung eine UNO-Konvention zum Giftmüll-Export ausgearbeitet, die im kommenden März auf einer internationalen Minister-Konferenz in Basel feierlich abgesegnet werden soll. Just da kommen aus demselben Basel Herrn Kuenzlers abenteurliche Pläne ans Licht. Umweltpolitische Einwände oder gar den Vorwurf des Giftmüll-Tourismus weist er energisch zurück: Keineswegs wolle er nur „unseren eigenen Abfall nach Angola schicken“. Er sei dagegen, „dort einfach Material zu verbuddeln“. Ganz im Gegenteil: Sondermüll-Verbrennungsanlagen nach strengstem westlichem Sicherheitsstandard will Kuenzler in der Nähe der westangolanischen Stadt Namibe installieren. Als technisches Vorbild dient jener Hochtemperatur-Spezialofen des Basler Chemie-Multis Ciba Geigy, in dem 1985 die berühmt -berüchtigten dioxinhaltigen 41 Seveso-Fässer verheizt wurden, nachdem diese am Ende einer Irrfahrt durch halb Europa im Keller des Konkurrenz-Konzerns Hoffmann-La Roche gelandet waren. Ciba Geigy selbst hat mit dem Projekt offenbar nichts zu tun.

Die ersten Giftmüll-Portionen sollen anscheinend schon bald die Reise nach Angola antreten. Der Vorvertrag, den die Regierung in Luanda am 5.November dieses Jahres mit ihm geschlossen habe, so Kuenzler, berechtige ihn bereits zur Einfuhr von Sondermüll. Hier liegt wohl der Hase im Pfeffer: Das Geld für die tollen Super-Öfen nach westlichem Sicherheitsstandard - in einer ersten Phase sind drei, insgesamt sechs geplant - soll durch Giftmüll-Importe überhaupt erst eingefahren werden.

Kuenzler: „Wir fangen jetzt an, Sondermüll am vorgesehenen Standort in der Nähe der Stadt Namibe zu lagern. Denn ein Teil der Finanzierung muß auf diese Art gesichert werden.“ Er habe bereits Lieferungen aus der BRD, Holland, Österreich und der CSSR gebucht. Im Klartext: Zuerst wird der Chemieschutt gebunkert, später dann vielleicht - durch den Kamin gejagt. Sollten die heißen Öfen aber an politischen, finanziellen oder technischen Hürden scheitern - dann haben die Angolaner die Giftscheiße am Hals.

Wenn aber die in Angola geplanten Öfen westeuropäischen Sicherheitskriterien genügen sollen - warum sie dann nicht gleich hier bauen, wo der Dreck anfällt? Die langjährigen Genehmigungsverfahren in der alten Welt spielen da wohl eine Rolle. Das eigentliche Problem aber, Kuenzler gibt sich fachmännisch, liege bei den Verbrennungsrückständen, also der Asche. Kein Experte könne vorhersagen, wie die Asche von Tausenden zusammengebrannter Substanzen langfristig reagiert. Für diese brisanten Rückstände gebe es weltweit nur zwei geologisch geeignete Formationen: Die chinesische Wüste Gobi und die 50.000 Quadratkilometer große Kalahari -Wüste in Botswana. Dort will Kuenzler denn auch seine Asche in unterirdischen Bunkern bestatten. „Diese Aschendeponie wird mehr kosten als alle Öfen und die ganze Infrastruktur zusammen.“

Ein Herz für Angola? Abgesehen von der generellen Fragwürdigkeit des Giftmüllexports sind Seriosität und Realisierbarkeit dieses Projektes derzeit ebenso schwer einzuschätzen wie die schillernde Figur des Arnold Andreas Kuenzler: Der geistige Vater des Angola -Projektes stellt sich als gelernter Geologe vor, bekennt aber freimütig, seine Brötchen bislang in einer anderen Branche zu verdienen - dem internationalen Waffenhandel. Zwar erwartet Kuenzler auch in dem neuen Metier satte Gewinne , doch zum Milliardär werde dabei wohl niemand. Auch er selbst nicht: „Ich kann nur ein Kilo Fleisch am Tag essen und höchstens eine Flasche Bourbon trinken.“ Seine wahren Ambitionen: „Mein Herz schlägt für die Schwarzen - ich bin in Tansania aufgewachsen und habe fast mein ganzes Leben in Afrika verbracht.“ Zu einem regelrechten „Marshall-Plan“ für den durch Bürgerkriegswirren in den wirtschaftlichen Ruin getriebenen Frontstaat solle sein Projekt geraten: „Etwas mehr als zwei Milliarden Dollar“ will er der Regierung für Baugenehmigung und Gelände hinblättern. Giftmüll-Dollars für Krankenhäuser, Schulen und zum Wiederaufbau der Wirtschaft.

Schwer durchschauber sind auch die Konstellationen in den Kulissen. Vor einer Woche erst stiegen zwei potentielle Partner des Kaufmanns aus: ein renommiertes Basler Planungsunternehmen, das die technische Machbarkeitsstudie hätte erstellen sollen, sowie ein Rechtsanwalt aus Zug, der die Finanzierung koordinieren sollte. Beide begründeten ihren Rückzug mit der unsicheren innenpolitischen Lage Angolas. Neuerdings scheint sich Kuenzler bei US-amerikanischen Firmen um finanzielle Rückendeckung zu bemühen. Daß seine Pläne, die unlängst erstmals durch die westschweizerische Alternativagentur „bureau de reportage et de recherche d'information“ (brri) öffentlich gemacht wurden, bereits über das Traum-Stadium hinaus gediehen sind, darauf deutet rege Reisetätigkeit zwischen Luanda und Basel hin: Erst vorletzten Freitag weilte Daniel Chipenda, ein hoher Funktionär der marxistischen angolanischen Einheitspartei MPLA in der Chemie-Metropole am Rheinknie.