Spargeltarzan und Methusalix

■ Manfred Burgsmüller wird heute einfach 39 und damit ältester Profi der Liga: Ohne Geheim- diät, ohne Buddhismus und ohne übertriebenes Training / Das wandelnde Lustprinzip

Einmal hat er es auch versucht. Als der breite Oberkörper seinerzeit in Mode kam - da hat er Kraftmaschine und Beinpresse und Bizepsmaschine und das ganze Marter- und Quälprogramm mal probiert. „Am nächsten Tag“, sagt er, „merk ich, daß ich nicht mehr von der Stelle komme. Da hab ich's wieder drangegeben.“ Dabei hat er es belassen. Und so paßt Manni Burgsmüller, ab heute im gesegneten Fußballeralter von 39, immer noch in die engsten Lücken im Strafraumgestrüpp der Bundesliga. Nur, daß sie jetzt nicht mehr Sprageltarzan zu ihm sagen, wie damals zu Hause in Altenessen, sondern Methusalem. Weil der Älteste in der Liga zu sein noch mehr gilt als der Dünnste.

Zum lLetzten Geburtstag vor der 40 muß für Bremens Torjäger von der hageren Gestalt wieder

das ganze Repertoire der leeren Schlagwörter herhalten: Oldtimer, Schlitzohr, Methusalem, Evergreen. Und ein Zeitgeist-Magazin verkaufte ihn unlängst sogar als Symbol ewiger Jugend. „Ich hör das schon nicht mehr“, sagt Herr Burgsmüller. Mit der Stimme eines 25jährigen.

Zwanzig Jahre Profifußball und Medienrummel haben den Burgsmüller (Markenartikel „Manni“) zum smarten Interview -Partner gemacht. Das Geschäft kennt er - genau wie das auf dem grünen Rechteck. Symbol ewiger Jugend? „Na, die brauchen das so, bei solchen Illustrierten - sollen sie's so schreiben.“ Und warum ist er tatsächlich so lange dabei? „Wenig Muskeln. Nicht so viel trainieren, daß man am nächsten Tag keine Lust mehr hat. Und im Zweikampf zur Not lieber hochspringen.“ Keine Geheimdiät, kein Buddhismus. Zwanzig Jahre keine nennenswerte Verletzung ist das Rezept.

Und Burgsmüllers Trainer Otto Rehhagel, der ihn im November '85 als fast 36jährigen für die spottniedrige Ablösesumme von 150.000 Mark aus dem vermeintlichen Alters-Exil bei Rotweiß Oberhausen geholt hat - Otto Rehhagel also bestärkt ihn in der Maxime. „Grätschen Sie nicht, sagt der Trainer immer, spielen Sie im Stehen Fußball.“

Auf dem Platz ist er immer noch der schmale Blonde mit dem schwarzen Schuh und der längst aus der Mode geratenen Lockenmähne. Und er kann immer noch genauso treudoof den Schiedsrichter mustern - mit diesem Ausdruck: „Nun versteh ich überhaupt nicht, warum Du da keinen

Freistoß für mich gibst.“

Ausgerechnet mit Werder, ausgerechnet mit 38 Jahren, ist Burgsmüller endlich mal ein großer Titel zugefallen. Das späte Glück. Daß er trotzdem noch mithalten kann, verdankt er Rehhagel'auch aus Essen, auch ein „Kind der Bundesliga“, der dem Fußball-Milieu alles verdankt. „Der macht ein Training, bei dem man nie so kaputt nach Hause geht, daß man am nächsten Tag nicht mehr mag: keine Rennerei, keine Medizinbälle, dafür fuß ballspezifische Sachen, Spielchen.“

Inzwischen spielt er mit seiner Kinder Generation in einer Mannschaft. Die älteste Burgsmüller-Tochter Corinna ist derweil 16, Nadine und Kim sind 13 und 10. Stürmerkollege Karl-Heinz Riedle ist 21. Daß Leute wie Riedle ihn nicht als Vaterfigur betrachten, ist bei Burgsmüllers Twen-Outfit nicht überraschend. „Aber gerade für den Kalle Riedle bin ich so eine Art Lernobjekt. Der guckt einiges ab. Daß man nicht immer blind draufhauen soll, sondern auch mal schnippeln.“ Nur manches, das könne man nicht lernen, das müsse man haben. Riedle habe das.

Das gewisse Etwas. Und so quält er sich weiterhin nicht, um Liga-Profi zu sein. „Ich freue mich immer noch auf jedes Training und jedes Spiel. Ich spiele einfach gerne Fußball.“ Die Geschichte, daß er zwei Stunden vor dem Training schon einsam Stretching betreibe, lange bevor der Rest der Mannschaft kommt - „Die ist auch übertrieben. 20 Minuten sind es, und auch erst, wenn die anderen schon da sind.“ Und daß er wenig Fleisch und Gemüse ißt? „Das ist so, weil die Filet-Ste

aks mir zum Hals raushingen.“

Das wandelnde Lustprinzip eben. Umgezogen ist er auch gerade, ins eigene Haus im Etepetete-Vorort Oberneuland. Die Handwerker sind noch da. Der Vertrag läuft noch 1,5 Jahre. Und dann? „Und dann mal sehen.“

Freddie Röckenhaus