Seh'n oder Nichtseh'n

■ ARD: Sigi Harreis mit den „Montagsmalern“ zum letzten Mal im Abendprogramm

Alles hat man ihr genommen, der tüchtig-strammen, blonden und allzeit hocherfreuten Sigi „Jawoll“ Harreis mit der zuverlässig-stabilen Kinnlade und den Strahlerküsse-Zähnen: Ihre Moderation der „Erfolgreichen“ galt senderintern „Gong“ hat es gepetzt - als Fiasko, und mit den dienstäglichen „Montagsmalern“ muß sie ab Januar 1989 vom besten Sendeplatz ins Vorabendprogramm weichen. „Viele Kinder haben uns geschrieben, ob wir nicht mal früher senden könnten“, hörte sich das am Ende der letzten Sendung hinter Tante Sigis blendweißen Zahnreihen an. Ein Hoch also auf das kinderfreundliche Fernsehen, das um der kleinen Zuschauer willen eine so mordstüchtige Maitresse de Plaisir vom allerbesten Sendeplatz vertreibt. Vielleicht muß Sigi Harreis ja auch deshalb in den Vorabend rutschen, weil sie so verwegene, unpopuläre Ansichten hegt: Sie soll in einer Talkshow mutig bekannt haben, gegen die Emanzipation der Frau hätte sie durchaus nichts einzuwenden. Und nun war sie also am Dienstag zum letzten Mal im Abendprogramm zugange und hat mich so überzeugt, daß es mir dringend an der Zeit scheint, ein Blödoyer zu halten für Sigi Harreis‘ so schnöde abgewürgtes Wirken.

Man denke: Nur 45 Minuten stehen ihr zur Verfügung, und da schafft sie es immerhin, vier mal vier Mitwirkende malend, ratend, ungefragt Hobbies aufzählend (Kinder) oder abgefragt von guten Taten plaudernd (Erwachsene) hindurchzujagen. Es muß also laufen wie am Schnürchen, wenn man mit sechzehn Menschen fertig werden soll. Und so läuft es denn auch, dank Sigi Harreis‘ freuen-und-durch-Tempo.

Vier Kinder aus Berlin und vier aus Langenfeld. Na, da kommt schon einiges zusammen an vorbildlichen Hobbies: Malen, Schwimmen, Surfen, Klavier-und Tennisspielen, Teddybär -Sammeln, Töpfern... Und alle Mitwirkenden malen dann, sauber in Altersgrüppchen aufgeteilt, im Schweinsgalopp abwechselnd Christbäume, Zwerge, Christbaumkugeln, Adventskränze oder Weihnachtsmänner auf eine Platte, die andern müssen raten, im Schweinsgalopp. Und Sigi Harreis, die vieleviele bunte Smarties auf ihrem Kleid zu sitzen hat, hilft tüchtig zähnebleckend mit: „SchnellschnelljawollundweiterjetztabindieKabittebieneachGot twashabichdagesagt? IndieKabinebittemeinteichnatürlich.“

Huuuh, kleine Atempause: Jetzt kommen vier Männer auf die Bühne, so richtige Mannen aus dem Bayernland. Die werden als „Kavaliere der Straße“ vorgestellt, weil sie bei einem Autounfall tatkräftig erstgeholfen haben. Die Mannsbilder sind, genauso wie die acht Kinder und die vier greisen Bundesverdienstkreuzträgerinnen'die hernach auf die Bühne segeln, so richtig urig und naturbelassen, von echtem Knorz und Schnorz. Wo kriegen wir sowas noch zu sehen, wenn nicht bei den familiären „Montagsmalern“ von Sigi Harreis? Und weil die Frauen alt sind und es, wie schon gesagt, sehr schnell gehen muß, sagt Sigi Harreis plötzlich: „Oma Rosi, jetzt müssen wir aber malen“. Schon gehorcht Oma Rosi, 86, und greift zittrig zum Stift, um einen Bratapfel zum Raten aufzugeben.

Am Ende dann treten die Siegerkinder gegen die Siegererwachsenen an, und heißa, das ist eine Freude, wenn die Erwachsenen unterliegen. So soll es sein, bei der netten Tante Sigi wenigstens. Aber nun hat ihr das alles mitsamt ihrem zuverlässig eingedübelten Lächeln nichts genutzt: Jetzt ist sie ausgedübelt. Gemein.

Sybille Simon-Zülch