Lage im AKW Biblis „beschissen“

■ RWE feuert AKW-Chef und Abteilungsleiter / Bis 3.Januar bleibt das Atomkraftwerk abgeschaltet / Zweiter Todesfall bestätigt / Niedersachsen kündigt „unverzügliche Information“ über die nächsten Störfälle an

Berlin (taz/dpa) - Nachdem im fernen Essen die Betreibergesellschaft RWE den Kraftwerksdirektor und einen weiteren Abteilungsleiter des AKW Biblis gefeuert und die Abschaltung des Meilers verfügt hat, ist die Belegschaft sauer und aufgeregt. Kaum beunruhigt dagegen sei das Personal über den Krebstod des Kollegen, der zu der Schicht gehörte, die am 16. und 17. Dezember vergangenen Jahres den Beinahe-Gau in Biblis verursacht hatte. Der Reaktorfahrer war im April plötzlich an Leukämie erkrankt und starb im Mai.

Die offizielle Version, daß der Mann keiner erhöhten Strahlendosis ausgesetzt war, werde geglaubt, sagte Betriebsratsvorsitzender Christian Rettweiler. „Die Lage bei uns ist einfach beschissen und die Stimmung auch“, berichtete ein Mitarbeiter über die heftigen Diskussionen in der Atomanlage. Angst um Arbeitsplätze und Wut über die Entscheidung des RWE herrschen vor.

Am Mittwoch mußte das Umweltministerium in Wiesbaden auf Anfrage einen weiteren Todesfall bestätigen. Als Todesursache des 59jährigen Schichtleiters hatte die Berufsgenossenschaft Lungenkrebs wegen des Umgangs mit Asbest festgestellt. Sein letzter Arbeitstag war der 1.Dezember 1987 gewesen.

Zunächst bleibt Biblis bis zum 3. Januar abgeschaltet Block B stand ohnehin still wegen verschiedener Leckagen im nuklearen und nichtnuklearen Teil, Block A sollte am Freitag zwecks Austauschs der Brennelemente heruntergefahren werden. Über die Wiederinbetriebnahme wird Hessens Umweltminister Weimar (CDU) nach einem Gespräch mit dem RWE entscheiden. Weimar war vom hessischen Verwaltungsgerichtshof und Reaktorminister Töpfer zu Berichten über die atomrechtliche Zuverlässigkeit des Betreibers und einer Stellungnahme zur Sicherheit der beiden Biblis-Blöcke verdonnert worden.

Unterdessen kündigte Niedersachsens Umweltminister Werner Remmers (CDU) an, künftig die Öffentlichkeit zu informieren über Störfälle der zweiten („eilt“) und dritten („sofort“) Stufe.

Abgeordnete des Umweltausschusses sollen darüber hinaus unverzüglich über jeden meldepflichtigen Störfall unterrichtet werden. Die Betreiberfirmen Preussen-Elektra und Kraftwerke Lingen-Ems haben Remmers zugesichert, von sich aus alle Störfälle in Stade, Grohnde, Esenshamm und Lingen öffentlich mitzuteilen.

peb