Norwegen und Finnland

■ Folter kein Grund für Asylgewährung

Ein paar Polizisten stürmen in die Vorhalle und versperren in Sekundenschnelle alle Ausgänge des Osloer Bahnhofs. Danach gehen sie zielstrebig auf alle Reisenden mit dunklen Haaren und dunkler Hautfarbe zu und kontrollieren deren Pässe. Wer keinen bei sich hat, wird zur Überprüfung der Personalien mitgenommen.

Dieser Vorfall, der selbst konservative Kommentatoren in der norwegischen Presse empörte, kann in Norwegen demnächst zur allgemeinen Polizeipraxis werden. Denn das Storting, das norwegische Parlament, hat ein neues Ausländergesetz verabschiedet, das - neben anderen erheblichen Verschärfungen - tatsächlich eine Ausweispflicht für Ausländer vorsieht. Es wird am 1.Januar 1989 in Kraft treten. „Ein eklatanter Verstoß gegen die UNO-Konvention gegen Rassendiskriminierung, die wir unterschrieben haben“, klagte der Bergenser Rechtsprofessor Atle Grahl-Madsen die sozialdemokratische Regierung Brundtland in einer Anhörung an.

In dem neuen Gesetz kommt es noch fremdenfeindlicher: Norweger, die einen Ausländer beherbergen, müssen dies in Zukunft umgehend den Behörden melden. In der Verganenheit liegende Folterungen, die Drohung mit Liquidierung und Inhaftierungen im Herkunftsland sollen in Norwegen kein automatisch wirkender Grund für die Gewährung von Asyl mehr sein. Dies verlautete kürzlich aus dem Justizministerium in Oslo. Die norwegische Asylhilfeorganisation „Noas“ erklärte, sie halte diese Äußerung für „bestürzend“. Und, als habe Justizministerin Helen Bösterud bei Friedrich Zimmermann abgeschrieben: Die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung kann zukünftig davon abhängig gemacht werden, ob der oder die Betreffende in der Lage ist, „seinen Unterhalt zu sichern“. Sozialhilfe zählt nach den gängigen Interpretationen nicht.

Das Ziel der Regierung ist, die Flüchtlingszahl auf 1.000 die sogenannten „Quotenflüchtlinge“ aus UN-Flüchtlingslagern - zu begrenzen. Die Abschreckungsmaßnahmen zeitigen bereits Erfolge: In den ersten drei Monaten diesen Jahres verzeichnete das statistische Zentralamt 300 Anträge weniger als im gleichen Zeitraum im Vorjahr.

Worum Norwegen sich noch bemüht, hat Finnland längst erreicht. Zuletzt versuchte es ein Sowjetbürger. Er kam als blinder Passagier auf einem sowjetischen Frachter nach Helsinki und stellte einen Antrag auf politisches Asyl. Er wußte offensichtlich nicht, wohin er gekommen war. Denn so etwas wie politisches Asyl gibt es in Finnland nicht. Er konnte froh sein, daß er nicht zurückgeschickt wurde, sondern stillschweigend nach Schweden weiterreisen durfte.

Flüchtlinge haben nach Finnland (fast) keinen Zutritt. Wie aussichtslos ein Hilfegesuch in Helsinki ist, hat sich mittlerweile weltweit herumgesprochen. Während im Nachbarland Schweden jährlich an die 10.000 Menschen Zuflucht suchen, versuchen es in Finnland nie mehr als zwanzig. Die letzten bekannten Zahlen stammen von 1985: 18 BürgerInnen aus zehn Staaten stellten im Innenministerium einen Asylantrag. Einem einzigen wurde stattgegeben.

Nach Drängen der anderen skandinavischen Länder beschloß Außenminister Kalevi Sorsa im vergangenen Herbst, die Aufnahmehöchstgrenze von 100 auf 200 Personen zu erhöhen. Die fünf Millionen Finnen machen ein Prozent der Weltbevölkerung aus. Entsprechend sollten sie, so fordert das UN-Flüchtlingskommissariat, die Verantwortung von einem Prozent der Flüchtlinge weltweit übernehmen, also für 15.000 Personen. Das sehen die Finnen anders. In einer Gallup -Umfrage hielt jeder zweite von ihnen schon 100 Asylgenehmigungen für eine großherzige Anzahl. 12 Prozent plädierten gar für die Zahl Null.

Gunnar Köhne