Na endlich: Freispruch für Mafiosi

Nach vier Instanzen allesamt unschuldig / Mord am obersten Untersuchungsrichter ungesühnt / Im südsizilianischen Gela forderten Clan-Auseinandersetzungen drei Todesopfer  ■  Aus Rom Werner Raith

Roms Kassationsgerichtshof wird's schon richten: Dreimal haben italienische Gerichte die Brüder Michele („der Papst“) und Salvatore („Stiefelchen“) Greco wegen des Mordes an Untersuchungsrichter Rocco Chinnici und seiner Eskorte (1983) zu lebenslänglich verurteilt.

Doch das Oberste Gericht unter seinem wegen notorisch unverständlicher Urteile umstrittenen Vorsitzenden Carnevale fand immer wieder „Verfahrensmängel“. Und nun hat endlich ein Gericht kapiert, was erwünscht war: Alle Angeklagten wurden vom Revisionsgericht in Messina von der Mordanklage freigesprochen.

Dabei hätte die Beweislage dichter nicht sein können: Mehrere Mafia-Insider haben unabhängig voneinander bestätigt, daß die Brüder Greco - Michele war seinerzeit Vorsitzender des Mafia-Koordinationsrates („Kuppel“) Auftraggeber des Mordes waren. Sachverständige haben die Hundert-Kilo-Bombe, mit der Chinnici vor seinem Hauseingang in die Luft gejagt wurde, untersucht. Die Einlassungen Michele Greco (sein Bruder ist flüchtig) haben keinerlei Entlastung gebracht. Zuerst hatte ein Gericht in Caltanissetta (wohin man das Verfahren aus Angst vor Repressalien in Palermo verlegt hatte) und danach das dortige Revisionsgericht die Höchststrafe ausgesprochen: Danach verwies der Kassationsgerichtshof das Verfahren zurück, übergab es allerdings an die entsprechende Instanz von Catania, von der man wegen mafioser Einflüsse in dieser Stadt einen Freispruch erwarten konnte. Doch auch das dortige Gericht konnte sich der Beweislage nicht entziehen und sprach lebenslänglich aus: das Bundesgericht mußte erneut zuschlagen und vergab den Autrag nun nach Massina: Dort, so belegen die Akten, ist noch nie ein Mafioso verurteilt worden - und so war's dann auch diesmal. Die Wetten in italienischen Justizkreisen, daß das Urteil diesmal vor dem Kassationsgericht Bestand hat, stehen hundert zu eins.

Die Mafia kann zufrieden sein, und sie zeigt es auch: Am frühen Nachmittag brachte ein Killer im Rahmen der Clan -Auseinandersetzungen im südsizilianischen Gela nahezu alle Mitglieder einer Familie um: ein Ehepaar und zwei seiner Kinder (drei weitere entgingen dem Attentat nur zufällig). Damit sind alleine in dieser 75.000 Einwohner zählenden Stadt seit Jahresbeginn mehr als 40 Menschen umgebracht worden. In ganz Sizilien hat die Polizei bisher an die 300 Tote gezählt; die Gesamtzahl der Opfer des organisierten Verbrechens in Italien wird dieses Jahr 1.000 übersteigen. Die Zahl der für solche Morde Verurteilten liegt dagegen dieses Jahr unter 50. Und wenn der Gerichtspräsident Carnevale noch lange weitermachen darf, werden es noch weniger sein.