Totaler Krieg im Bunkerbau

■ Von 1943 bis 1945 bauten über 10.000 KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Farge den U-Boot-Bunker „Valentin“ / 4.000 starben

Als „Beispiel nationalsozialisti- schen Wahns“ berichtet ein zweiteiliger Fernsehfilm von Thomas Mitscherlich, der am 26. und 27. Dezember von Radio Bremen ausgestrahlt wird, vom Bau des Farger U-Boot-Bunkers „Valentin“. Überlebende - Täter wie Opfer der Zwangsarbeit auf der Bunkerbaustelle - kommen darin zu Wort. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Vorwort einer Broschüre der Edition Temmen, die umfangreiches Material über den Bunkerbau, die Zwangsarbeiterlager und das schnelle Vergessen nach dem Krieg zusammenstellt.

Tausende arbeiteten an dem Bunker, als Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene oder Deportierte aus allen Teilen Europas. Es sollten U-Boote wie Autos in Serie gebaut werden, jeden zweiten Tag eines: an der Weser, im Norden von Bremen, in Bremen-Farge. Durch die Straßen zogen, bewacht von Soldaten der Wehrmacht, der Marine und der SS, etwa 4.000 Zwangsverpflichtete, 5.000 Kriegsgefangene, mehr als 2.000 Menschen aus einem Konzentrationslager und über 500 aus einem Arbeitserziehungslager, zur Baustelle. In sieben Lagern,

drei bis acht Kilometer entfernt, mußten diese Menschen leben. Errichtet wurde der Bunker in der Zeit von Sommer 1943 bis Frühjahr 1945. Er ist so groß wie etwa sechs Fußballfelder, annährend so hoch wie ein zehnstöckiges Haus.

Die Verantwortlichen im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion und in der Kriegsmarine wußten, daß frühestens im März 1945 ein U-Boot den Bunker hätte verlassen können. Doch dazu kam es nie. Als der Bau begonnen wurde, hatte das III. Reich den Krieg strate

gisch bereits verloren. Nicht ein Waffenstillstand war gesucht worden, sondern es kam zur Ausrufung des „totalen Krieges“. Die Festung zur Produktion von Unterseebooten, die den Decknamen „Valentin“ bekommen hatte, war ein Teil des „totalen Krieges“. Über 7 Millionen Menschen aus allen Teilen Europas wurden nach Deutschland verschleppt, über die Hälfte von ihnen mußten für oder in der Rüstungsindustrie arbeiten - die deutschen Arbeiter kamen an die Front.

Die Baustelle „Valentin“, die Lager dort, sind nur ein Beispiel des Wahns. Infolge dieses Bauwerks, erst 42 Tage vor Kriegsende wurden die Arbeiten eingestellt, starben etwa 4.000 Menschen - die Zahl der Bombenopfer in Bremen in all den Kriegsjahren war nicht größer.

Thomas Mitscherlich

Die beiden Teile des Films „Der Bunker“ sind am 26. und 27.12. jeweils von 19:15-20:00 Uhr im 3. Fernsehprogramm zu sehen. Die Broschüre gleichen Titels von Barbara Johr und Hartmut Roder ist in der Bremer Edition Temmen erschienen und kostet 10 Mark.