KOMMENTAR
: Wallmanns Hinterkopf

■ Von „Urangate“ zur NTG

Der neue Skandal um die illegale Ausfuhr atomwaffentauglicher Technologie nach Pakistan, Südafrika und Indien hat viele Fragen aufgeworfen, aber er hat auch eine wichtige Frage beantwortet. Wer erinnert sich noch an jene inzwischen historische Sitzung im hessischen Landtag, als Ministerpräsident Wallmann vor einem Jahr auf Befragen Joschka Fischers den „ungeheuerlichen Verdacht“ der nuklearen Proliferation bestätigte und „Urangate“ entfachte? Die bis gestern nicht beantwortete Frage ist: Warum hat Wallmann damals – ohne Not – den Verdacht dunkler Atomgeschäfte geäußert, wo doch keinerlei Beweise vorlagen und er lediglich wußte, daß der Bonner „Energie-Report“ einer nicht näher definierten Pakistan-Connection hinterherhechelte? Noch letzte Woche schrieb die 'Zeit' in einer peinlichen Rehabilitation für die Hanauer Atomschmiede Nukem, daß sich alle Vorwürfe in Luft aufgelöst hätten. Warum also Wallmanns Geständnis?

Das Stichwort „Pakistan“ muß in Wallmanns Hinterkopf Verheerendes angerichtet haben. Bei diesem Wort muß ihn der Name NTG durchzuckt haben. Seine Altlasten haben ihn heimgesucht. Auch die Intervention der USA ist ihm siedendheiß eingefallen. Diese hatten schon 1985 vor den dubiosen Geschäften der Firma mit Pakistan gewarnt. Das Stichwort „Pakistan“ löste bei Wallmann Alarm aus, die Leiche im Keller fing an zu stinken. Seit 1985 war Bonn unterrichtet, seitdem war auch Wallmann über die saubere Firma im hessischen Gäu informiert. „Pakistan“ trieb ihn reflexartig zur Flucht nach vorn. Mit dem Angstschweiß, der in seine Achselhöhle kroch, sah er der Enttarnung der NTG und der verantwortlichen Atomaufsicht entgegen. Er gab zu, was noch gar nicht zur Debatte stand und erst ein Jahr später – am 20.Dezember 1988 enthüllt werden sollte.

Die grandiose Fehlleistung Wallmanns ist geklärt. Ein Jahr danach ist sein Geständnis materialisiert: Der „ungeheuerliche Verdacht“ (Wallmann/Töpfer/Kohl u.a.) ist ein Stück bundesdeutscher Wirklichkeit. Frohes Fest!

Manfred Kriener