DAS N.I.P.s-KLASSENTREFFEN

■ „Balkon mit Fächer“, die Jubiläumsausstellung des DAAD in der Akademie der Künste

Es ist wahr. Die Überschrift denunziert gleich zum Auftakt des Jahres wieder eine ganze Künstlergeneration, die auf Kosten der Steuerzahler ein Jahresstipendium in Berlin genossen hat.

Zu verdanken hatten die Künstler das einer wechselnden Jury, die Jahr für Jahr unabhängig und jenseits des guten Geschmacks Leute aus aller Welt herholen konnte, damit die Berliner wenigstens ein bißchen Kenntnis davon erhalten, daß nicht alles, was draußen in der Welt vor sich geht, allein deshalb schlecht ist, weil man in Berlin davon keinen blassen Schimmer, geschweige denn eine Ahnung hat.

Joachim Sartorius, der in seiner Vorbemerkung im Katalog zur Ausstellung die Fragen „Warum Balkon? Warum Fächer?“ zu beantworten sucht, kommt im Ergebnis zu der Feststellung: „So wird Berlin vielleicht nach und nach zu einem Refugium für die Marktgebeutelten, zum Ort der Besinnung, an dem gerade durch das Ausscheren aus heimatlichen Zwängen die Verfassung neuer Ideen möglich ist.“

Rudi Fuchs, der die Ausstellung konzipiert hat, macht es sich in seinem Katalogbeitrag besonders einfach, recycelt er doch seinen Aufsatz aus dem Jahre 1987, den er im Museum Ludwig/Köln gehalten hat und in dem er seine Auffassung vom wiederhergestellten Gleichgewicht europäischer und amerikanischer Kunst vertritt, was nichts zu tun hat mit der „balance of power“, aber immerhin ein Versuch ist, Zusammenhänge im internationalen Vergleich deutlich zu machen. Wichtig aber ist sein öffentliches Bekenntnis zur hemmungslosen Subjektivität, mit der er die Auswahl der Künstler vorgenommen hat, die jetzt stellvertretend zu besichtigen sind.

Und außer Frage steht für Rudi Fuchs gleichwohl, daß man hundert verschiedene und dennoch genauso repräsentative beziehungsweise gültige Ausstellungen hätte arrangieren können. Sein Standpunkt, daß durch die Räume der Akademie der Künste, die vollgestopft wirken wie ein Nähkästchen, aus dem es sich gut plaudern läßt, kein roter Faden zu finden ist, tut seiner Absicht allerdings keinen guten Dienst. Es ist ein Wollknäuel, das einem verspielten Kater in die Krallen gefallen ist, es ist und bleibt ein Durcheinander, das dem Besucher, dem Beschauer, dem Neugierigen die Verständnisfrage leider negativ beantwortet.

Und wenn man endlich einmal innerhalb der Kunstszene ehrlich zueinander ist, wird sich zeigen, daß es erstens überhaupt nicht schlimm ist, daß kein Schwein die Damen und Herren Künstler kennt außerhalb der kleinen interessierten Kunstöffentlichkeit, und daß es zweitens nichts zur Sache, das heißt Qualität, tut, ob der eine oder die andere inzwischen einen über den engeren Kunst- beziehungsweise Dunstkreis hinaus berühmten Namen hat.

Stellt man sich dumm und fragt herum, wer Edward Kienholz ist, der nun wirklich in die letztere Kategorie zu zählen ist, dann wird einem einfallen, daß dieser wunderbare Künstler, den diese Stadt schon mehr als einmal vor den Kopf gestoßen hat, zum Beispiel mit der Ablehnung der Skulptur auf dem Ernst-Reuter-Platz, ja, diese gläserne Waschanlage, in der ein funkelnagelneuer Mercedes zu Schrott gewaschen werden sollte. Der also gehört bestimmt nicht zu den N.I.P.s, den „Never Important Persons“. Und Michelangelo Pistoletto kann man erwähnen, und Mario Merz, Per Kirkeby. Ich habe mal eine Frage. Noch nie was von John Cage gehört?

Es ist wirklich uninteressant, immer das gleiche Spielchen zu spielen mit dem Gradmesser der öffentlichen Anerkennung oder Kenntnisnahme.

Interessant ist allemal diese bunte Mischung von Künstlern, die das Glück gehabt haben, das Jahresstipendium des DAAD zu bekommen, ein ganzes Jahr lang in einer Wohnung in Berlin leben zu können und unkontrolliert aus dem Fenster zu schauen, auf die Straßen und Plätze, auf die Balkonblumen, unter die Haut.

Wenn man also durch die Ausstellung in der Akademie geht, was Stunden oder Minuten dauert, dann ist es wie bei einem Klassentreffen der Abschlußklasse nach 20 Jahren. Man sitzt, steht, trinkt und unterhält sich vor allem mit den Leuten, mit denen man damals schon den meisten Spaß hatte, die anderen nimmt man wahr, sagt brav „Guten Tag“ und begräbt nach den ersten Sätzen die Hoffnung, daß aus denen etwas anderes geworden ist als das, was sie schon damals waren, Beamte, Schleimer, Karrieristen, die einem immer schon zuwider waren und geblieben sind.

Ich weiß wirklich nicht, und niemand wird es jemals erfahren, warum man die Organisation dieses Klassentreffens einem Außenstehenden anvertraut hat. Das ist das große Manko. Man sucht nach Leuten, mit denen man auf einer Bank gesessen hat, und muß erfahren, daß sie nicht eingeladen worden sind, weil sie in das Konzept, das nicht vorhanden ist, nicht hineinpaßten.

Qpferdach

„Balkon mit Fächer“, 25 Jahre Berliner Künstlerprogramm des DAAD in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 1-21, täglich 10-19 Uhr, montags ab 13 Uhr, bis zum 5.Februar