Hacker suchen den Blick übern Bildschirmrand

300 Computerfreaks beim „Chaos-Communication-Congress“ in Hamburg / Computer-Klub warnt vor „totaler Kommunikationskontrolle“ durch die Bundespost / Berliner Studie: Hacker sind unpolitisch / „Nasa-Hack“ weiter im dunkeln  ■  Aus Hamburg Dirk Wildt

300 Computerfreaks und Hacker aus der ganzen Bundesrepublik und dem Ausland besuchten zwischen Weihnachten und Neujahr den fünften „Chaos-Communication-Congress“ in Hamburg. Dieses Jahr flimmerten im Eidelstedter Bürgerhaus weniger Computerterminals, und es standen weniger technische Geräte herum: Damit setzten der Hamburger „Chaos Computer Club“ (CCC) und die „Chaotische Connection Hagen“ ein deutliches Zeichen dafür, daß erstmals inhaltliche Fragen im Mittelpunkt stehen sollten. Stefen Wernery vom CCC: „Wir müssen endlich sehen, wie wir unser Know-how Bürgern, Initiativen und Journalisten zur Verfügung stellen können!“

Zu Beginn ließen die Hacker das Jahr 1987 Revue passieren, das Jahr, in dem Codewörter von zwei Großrechnern der Nasa geknackt wurden. Klubmitglied Stefen Wernery war deshalb zwei Monate in Frankreich inhaftiert. Mittlerweile wird in 27 Ländern gegen den Hamburger Computer-Klub ermittelt. Bundesdeutsche Behörden haben bis heute dem CCC nur unwesentliche Teile der damals beschlagnahmten Computer, Festplatten, Disketten und Notizen zurückgegeben. Gerichtsverfahren sind immer noch nicht eröffnet. Hamburgs Verfassungsschutzpräsident Christian Lochte bemängelte denn auch in einem Fernsehinterview zum Kongreß, daß beim ermittelnden Bundeskriminalamt in Wiesbaden „Pannen“ passiert seien. Er bescheinigte den Hackern schließlich, auf bedeutende Sicherheitslücken in Computersystemen aufmerksam gemacht zu haben.

Trotz Zusagen erschien der Verfassungshüter einen Tag später auf einer Podiumsdiskussion nicht. Hier wollten sich die 300 Gäste über die „Kriminalisierung der Hackerszene“ und neue Überwachungsmethoden der Bundespost auseinandersetzen. Teilnehmer der Diskussion warnten eindringlich vor dem neuen Kabelnetzt ISDN (Integrated Services Digital Network) der Post, an das 1991 unter anderem in den Großstädten Hamburg, Frankfurt und München alle Telefongeräte, Telekopierer und Computer angeschlossen werden sollen. Daten werden dann wesentlich schneller und damit billiger transportiert als über das herkömmliche Telefonnetz. Allerdings erfaßt die Post dann auch in einem Zentralcomputer, wer mit wem wie lange über welches Gerät kommuniziert. Nur die übermittelte Information wird von der Post nicht gespeichert. Die Computerfans warnten: „Das ist Kommunikationskontrolle total!“

Mehr zum umstrittenen Kommunikationsmedium Computer war dann aber auch auf dem fünften Hacker-Kongreß in Hamburg nicht zu erfahren. Auf den über ein Dutzend Veranstaltungen ging es hauptsächlich um technische Möglichkeiten für Insider. Veranstaltungen wie Nachrichtenschutz mit PC -DES oder Fido, Zeberus, BTX-Net und UUCP, das Netz für Eingeweihte prägten die Party.

Ausnahme war da eine Veranstaltung von vier Berliner Politologie-Studenten, die ein Jahr lang die Deutsche „Hacker- und Mailbox-Szene“ durchleuchtet hatten. Sie stellten die These auf, Hacker seien eine „soziale Bewegung“, weil sie ein „Wir-Gefühl“ schafften, mit ihren „Hobby“ ein „öffentliches Interesse“ erreichten und in den „Lauf der Dinge“ eingreifen könnten. „Politisch“ seien die Hacker allerdings nicht. Dazu würden Forderungen nach einer verbesserten „demokratischen Kontrolle“ der elektronischen Kommunikation oder nach einen „Nulltarif“ bei der Bundespost nicht ausreichen. Die Bundespost sei für sie nur ein „Ärgernis“, die Kommunikationsindustrie „Spielverderber“. Als einsamer Gegner blieben am ehestens noch die Grünen mit ihrer „Technikfeindlichkeit“.

Die vier Berliner Autoren und Politik-Studenten sprachen den Hackern die Fähigkeit ab, gezielt aus Computersystemen Daten herauszuholen. Ihre einjährige Untersuchung zeige, daß „Datenreisende“ immer nur „zufällig“ in Systeme hineinkämen.

Die Untersuchten zeigten an der Hackerstudie allerdings wenig Interesse. Von den 300 Datenreisenden kamen 50 zu dieser Diskussion, und die fühlten sich kräftig auf den Schlips getreten.