piwik no script img

Geisterbahn in Oberbayern: Lokführer statt im Zug auf'm Klo

Wasserburg (dpa) - Ein leerer Zug der Münchner S-Bahn mit drei Waggons hat sich am Samstag im Bahnhof Ebersberg in Oberbayern selbständig gemacht, als der Lokomotivführer gerade auf der Toilette war. Die S-Bahn raste auf abschüssiger Strecke rund 20 Kilometer weit bis in den Bahnhof Wasserburg am Inn im Landkreis Rosenheim. Während der Fahrt über die Gefällstrecke betrug die Spitzengeschwindigkeit 60 Stundenkilometer.

Bei der Geisterfahrt überquerte der Zug etwa 20 schrankenlose Bahnübergänge und fuhr durch mehrere Ortschaften. Erst im Wasserburger Bahnhof, wo das alarmierte Personal das Gefährt auf ein Nebengleis leitete, prallte die S-Bahn gegen einen Prellbock, riß diesen aus der Verankerung und schob das Hindernis 35 Meter vor sich her. Dabei entgleiste der Zug. Erst an einer Straßenböschung kam er zum Stehen. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Der 45jährige Oberlokführer war am Zielbahnhof Ebersberg zur Toilette gegangen, nachdem alle Fahrgäste den Zug verlassen hatten. Als er zurückkam, war der Zug weg. Bis Sonntag blieb ungeklärt, ob der Mann vergaß, wie vorgeschrieben die Bremsen einzulegen - oder ob ein technisches Versagen vorliegt.

Der Lokomotivführer hatte sofort über Streckentelefon den Fahrdienstleiter in Grafing verständigt: „Mein Zug ist weg!“ Dann versuchte er noch, im Laufschritt den davongefahrenen Zug einzuholen. Als er eine Alarmsirene aufheulen hörte, versteckte er sich in einem Waldstück.

Nach dem Vorfall vom Samstag morgen blieb der 45jährige Lokführer zwölf Stunden unauffindbar. Die Polizei leitete eine Fahndung ein, auch über Rundfunk wurde nach dem Mann gesucht. Erst am Abend wurde er von Beamten der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck in seiner Wohnung entdeckt. Er stand noch immer unter Schock.

Der bei der Geisterfahrt angerichtete Sachschaden beträgt laut Bundesbahndirektion München etwa 30.000 Mark am Fahrzeug und 10.000 Mark an Gleisanlagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen