THTR Hamm: Poker oder Pleite?

Die Betreiber des Hochtemperaturreaktors beantragen die endgültige Stillegung beim Forschungsministerium / Kostenexplosion und Sicherheitsmängel des Musterreaktors für Betreiber nicht mehr tragbar  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor Hamm -Uentrop (THTR) ist seinem Ende als Investitionsruine der Atomindustrie ein Stück näher gerückt. Die Betreibergesellschaft des Modellreaktors hat in einem Brief an Bundesforschungsminister Riesenhuber um das „Einverständnis zur endgültigen Stillegung“ gebeten. Bereits Ende November hatten die Gesellschafter die vorsorgliche Stillegung des THTR beantragt, da die Kosten sowohl für dessen Bau als auch für seinen Unterhalt dramatisch in die Höhe geschnellt sind. Vor allem die kleineren kommunalen Stromversorgungsunternehmen, die als Gesellschafter an dem THTR beteiligt sind, sind nicht mehr in der Lage, diese Kosten zu tragen. Sie hatten daher schon auf einer Gesellschafterversammlung Ende November eine vorsorgliche Stillegung beantragt und mit der Pleite gedroht, falls nicht der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen ihre bisher bei 450 Millionen Mark festgesetzte Risikoübernahme erhöhen. In dem jetzt bekanntgewordenen Schreiben an Bundesforschungsminister Riesenhuber fordert die Betreibergesellschaft HKG jetzt das Ja zur „endgültigen Stillegung“ des THTR.

Allerdings geben die Kraftwerksbetreiber dem Forschungsminister in ihrem Brief noch den Wink mit dem Zaunpfahl, durch „schnelle und ausreichende Nachbesserung“ könne das pleiteträchtige Projekt wirtschaftlich doch noch abgesichert werden. Die Betreibergesellschaft fordert eine Erhöhung der Risikoübernahme durch Bund und Land von 450 Millionen auf eine Milliarde. Diese Risikobeteiligung soll vor allem die Kosten für die langen Stillstandszeiten decken, die aufgrund technischer Mängel nötig sind. Jeder Tag, den der THTR nicht läuft, kostet runde 900.000 Mark. Die ursprünglich angesetzte Risikobeteiligung von 450 Millionen aus Bonn und Düsseldorf erweist sich damit als schnell aufgebraucht. Ob das Bundesforschungsministerium einer weiteren Finanzspritze an das geldfressende Atommonstrum zustimmen wird, ist noch offen. Allerdings dürfte Minister Riesenhuber wenig Interesse daran haben, daß das Prestigeprojekt THTR, für dessen Nachfolgemodelle es schon zahlreiche ausländische Kaufinteressenten auch in der UdSSR und der DDR gibt, scheitert.

Der THTR ist der einzige kommerziell betriebene Hochtemperaturreaktor der Welt mit kugelförmigen Brennelementen. Dieses Modellprojekt hat inzwischen jedoch kräftige Löcher in die Kassen der Stromversorgungsunternehmen gerissen. Allein die Baukosten erhöhten sich von ursprünglich angesetzten 650 Millionen auf vier Milliarden Mark. Seit seiner Inbetriebnahme war der THTR nie völlig ausgelastet. 1987 erbrachte er nur eine Stromleistung von 40 Prozent des berechneten Solls. 1987 verzeichneten die Betreiber Verluste von 57 Millionen Mark. Technische Mängel führten immer wieder zum vorübergehenden Stillstand.

Zur Zeit ist der THTR schon seit mehreren Wochen wegen schwerer Schäden an den Heizgaskanälen abgeschaltet und wird so schnell nicht wieder ans Netz gehen. Wenn das Forschungsministerium nun nicht die rettende Finanzspritze schickt, haben sich die Betreiber des THTR eher für ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende entschieden. Doch selbst dieses Ende wird nicht billig werden: Bei einer endgültigen Stillegung müßten große Teile des in den Reaktor investierten Kapitals auf einen Schlag abgeschrieben werden. Das würde nach Expertenberechnungen etwa 420 Millionen Kosten. Und für einen Abriß müßten die Gesellschafter, also auch die kommunalen Stromversorgungsunternehmen, etwa 2 Milliarden Mark auf den Tisch legen.