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Tief-Fluch: Die Scham nach Remscheid ist vorbei

Ab heute wird wieder der Absturz geübt / Trotz heftiger Kritik kein Tiefflug-Ende in Sicht / „Aktionsgemeinschaft 2.Januar“ protestiert mit riesigem Transparent  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Die Scham nach dem Flugzeugabsturz von Remscheid ist vorbei - ab heute darf am Himmel wieder Roulette gespielt werden. Soweit das Wetter es zuläßt, werden sich die Tornados, Phantoms und Mirages mit mehr als 1.000 Kilometer in der Stunde in waghalsigen Manövern über Kirchturmspitzen, Fabrikschornsteinen und Kühltürmen warmfliegen. Drei Wochen weihnachtlicher Stille waren vielen Militärs schon „Irrsinn“ und „dummes Zeug“ genug; jetzt wird wieder gedonnert und auf die Katastrophe zugeflogen werden, daß Kinder schreiend in die Häuser rennen und selbst Erwachsene sich vor Schreck auf den Boden werfen. Das alles zu unser aller Verteidigung und - wie gestern ein Sprecher des Verteidigungsministeriums als Neujahrsbotschaft verkündete - „im normalen Umfang“. Die Flugstunden, die die Tiefflugpiloten durch die nach Remscheid verordnete Zwangspause versäumt haben, sollen nach offiziellen Darstellungen jedoch nicht durch ein verstärktes Trainingsprogramm am Himmel nachgeholt werden. Jeder Militärpilot muß zwar während seiner Ausbildung ein bestimmtes, auf Fortsetzung auf Seite 2

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20 Prozent festgelegte Pensum an Tiefflügen absolvieren, doch das bisher einmalige Tiefflugmoratorium nach Remscheid sei eine „politische Entscheidung“ gewesen, und in diesem Fall werde man andere Möglichkeiten finden, die Piloten trotz des Stundenausfalls zu schulen, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das bedeute aber nicht, fügte er schnell hinzu, daß man solche Pausen ruhig öfter einlegen könne.

Inzwischen mehren sich die Stimmen derjenigen, die eine unbeschränkte Verlängerung des am

8.Dezember verkündeten Tiefflugstopps fordern. Eine „Aktionsgemeinschaft 2.Januar“ protestiert an der Weinstraße bei Forst mit einem drei Meter hohen und zwölf Meter langen Transparent kilometerweit sichtbar gegen die Tiefflüge. Der Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung forderte gestern die Bevölkerung auf, sich zusammen mit örtlichen Friedensinitiativen gegen die Tiefflüge zu wehren und Aktionen etwa vor dem Kanzleramt oder dem Verteidigungsministerium zu starten. Die Grünen im Bundestag verlangten von der Bundesregierung, von der Wiederaufnahme der Tiefflüge Abstand zu nehmen und zunächst eine Bundestagsdebatte dazu abzuwarten. Eine Son

dersitzung zum Thema Tiefflug, die die Grünen für den heutigen Montag gefordert hatten, scheiterte an der Zustimmung der SPD-Fraktion. Zahlreiche SPD -Bundestagsabgeordnete verlangten jedoch auch einen sofortigen Stopp der Tiefflüge über der Bundesrepublik. Kritik an den donnernden Maschinen kommt auch aus der FDP. Der baden-württembergische FDP-Fraktionsvorsitzende Döring sprach sich für eine Verlängerung des Tiefflugverbots auf „unbestimmte Zeit“ aus, und der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Burkhard Hirsch, hatte einen Tag zuvor das Unglück von Remscheid in einem Rundfunkinterview einen „Totschlag an der Zivilbevölkerung“ ge

nannt. Er kritisierte jedoch das Verhalten der amerikanischen Militärs.Die Piloten seien unter schwierigster Wetterlage im Sichtflug geflogen. Die Verantwortlichen für dieses gefährliche Verhalten würden von der US-Air-force „versteckt gehalten“ und gehörten eigentlich vor ein deutsches Gericht gestellt. Nach bisherigen Informationen werden sie sich jedoch dort genausowenig verantworten müssen wie vor einem parlamentarischen Ausschuß. Am 18.Januar soll dagegen Verteidigungsminister Scholz vor dem Verteidigungsausschuß über den Absturz von Remscheid berichten und zum Thema Tiefflug Stellung nehmen.

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