Bremer Müll soll halbiert werden

■ Umweltsenatorin Lemke-Schulte legt Entwurf des Abfallwirtschaftsplans vor / Flächendeckende Getrenntsammlung des Hausmülls bis 1995 angestrebt / MVA Bremen bleibt bis mindestens Mitte der neunziger Jahre in Betrieb

Seit etwa sechs Jahren wird in der Bremer SPD und im Senat der Hansestadt unter dem Stichwort „ökologische Abfallwirtschaft“ über unterschiedliche Konzeptionen im Umgang mit den ständig wachsenden Müllbergen der Hansestadt nachgedacht und gestritten. In dieser Zeit hat es eine ganze Reihe von Untersuchungen und Überlegungen gegeben. Erste konkrete Projekte wie Recyclinganlagen und Abfallberatungsstellen haben ihre Arbeit aufgenomen. Seit der Novellierung der Bremer Landesgesetze zum Bundesabfallgesetz sind genrelle Regelungen zur getrennten Sammlung von Wertstoffen und schadstoffhaltigen Abfällen und Bestimmungen über Abfallberatungen in Kraft. Vor kurzem nun hat die Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte eine Zusammenfassung dieser programmatischen Überlegungen und konkreten Projekte in Form eines Entwurfes des Abfallwirtschaftsplans vorgelegt. Der Entwurf zeigt darüber hianus die Ziele in der Müllpolitik in Bremen auf und benennt die möglichen Wege und ihre Realisierungzeiträume.

Pünktlich am 23. 12. des letzten Jahres - sozusagen als besonderes Weihnachtsgeschenk aus dem Hause der Umweltsenatorin - lag das nahezu 300 Seiten dicke Werk, daß die Grundlage für die Müllpolitik der nächsten Jahre in der Hansestadt darstellt, den Fraktionen der Bürgerschaft vor.„Ein offener Entwurf mit noch offenen Fragen“, wie ihn Dr. Jürgen Lüthge, Senatsdirektor im

Umweltressort, bezeichnet. Von Müllvermeidung ist in dem Plan aber nur am Rande die Rede. Der Schwerpunkt wird ganz eindeutig auf die getrennte Sammlung und die Wiederverwertung des Hausmülls und hausmüllartigen Gewerbemülls gelegt.

Etwa 1000 Tonnen Hausmüll fallen täglich in Bremen an. Nur etwa 15% davon werden dem Recycling zugeführt. Dieser Anteil soll nach den Vorstellungen der Umweltsenatorin in den nächsten Jahren erheblich erhöht werden. Dafür sieht der Abfallwirtschaftsplan ein „denzentrales, wohnungs- und betriebsnahes Depot-Container-System“ vor, daß sich felxibel an städtebauliche Strukturen anpaßt und die Gewähr für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung bietet. So sollen in Großwohnanlagen gesonderte Müllbehälter für die getrennte Sammlung von organischen Abfällen, Papier, Bunt- und Weißglas und Restmüll eingesetzt werden. In den anderen Bremer Stadtteilen erhalten die Haushalte zwei Müllgefäße für die getrennte Sammlung von organischen und anderen Abfällen. Für die Sammlung der Wertstoffe sollen hier weitere Container aufgestellt werden. Die Wiederverwertung soll längerfristig auch auf Metall und Plastik ausgeweitet werden, sobald hier eine entsprechende Nachfrage entsteht. Dies stellt sich derzeit nach Auskunft von Lüthge insbesondere beim recycelten Plastik, das sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Arten zusammensetzt, als

größeres Problem dar.

Die organischen Abfälle sollen kompostiert werden. Zu diesem Zweck werden in diesem Frühjahr die Kapazitäten auf der Blocklanddeponie erheblich ausgeweitet. Lüthge ist zuversichtlich, daß die getrennte Müllsammlung bis 1995 flächendeckend in Bremen eingeführt werden kann, wie dies der Bremen-Plan der regierenden SPD aus dem Jahre 1987 vorsieht.

Der übrige Müll, der nicht verwertet werden kann, soll auch in Zukunft verbrannt werden. Immerhin werden nach Schätzungen aus dem Hause der Umweltsenatorin auch bei intensiven Recyclingbemühungen im Jahre 2000 immer noch etwa 120.000 Ton

nen im Jahr hiervon anfallen. Für die Lagerung dieses Mülls fehlt in der Hansestadt der Platz. Darüber hinaus gibt es ökologische Bedenken gegen eine solche Praxis.

Wo der Restmüll in Zukunft verbrannt wird, soll in den nächsten Jahren entschieden werden. Die Umweltsenatorin hat zwei Untersuchungen in Auftrag gegeben, darunter eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung'die Aufschluß über den umweltpolitisch sinnvollsten und wirtschaftlich vertretbaren Weg zur Beseitigung dieses Mülls liefern sollen. Dabei geht es im wesentlichen um die Zukunft der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Bremen.

Der Plan sieht zwei unter

schiedliche Modelle vor: zum einen den „technisch und betriebswirtschaftlich vertretbaren“ Rückbau der Bremer MVA, zum anderen eine vollständige Schließung dieser Anlage.

Dies ist in der Vergangenheit insbesondere von den Grünen, gefordert worden. Aber auch innerhalb der SPD wird dies befürwortet. Hier wird insbesondere damit argumentiert, daß mit der Müllverbennungananlage in Bremerhaven ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen und der weitere Betrieb der Bremer MVA der ökologischen Zielsetzung von Schadstoffvermeidung und - wiederverwertung fundamental entgegenstehen würde.

Aus diesen Plänen aber wird je

denfalls vorerst nichts werden. Die Bremer MVA wird frühestens zur Mitte der neunziger Jahre geschlossen. Derzeit wird sie für über 30 Millionen Mark mit einer Rauchgaswaschanlage ausgestattet, die insbesondere Schwermetalle, Säuren und Laugen aus den Dämpfen der Anlage filtern soll. Diese Investition ist durch die Novellierung der TA-Luft auf Bundesebene notwendig geworden und sollte eigentlich bis zum Ende des kommenden Monats abgeschlossen sein. Wegen der Verzögerung bei der Planfeststellung hat das zuständige Gewerbeaufsichtsamt nun aber eine Fristverlängerung bis zum 1. Oktober dieses Jahres gewährt.

In Bremerhaven gibt es derartige Probleme nicht. Die dortige MVA hat nicht nur eine Rauchgaswäsche, sondern ist auch mit einer Entschwefelungs- und Entstickungsanlage ausgestattet - „die reinste Anlage in der BRD“, wie Lüthge annimmt.

Als konkrete Maßnahmen kündigt der Bericht die Anschaffung eines weiteren Schadstoffmobils und den Beginn der Abfallberatung für die nächste Zeit an. Darüber hinaus soll mit einer drastischen Erhöhung der Gebühren für einzelne Abfallarten eine Reduzierung der entsprechenden Müllmengen erreicht werden.

Eine erste Reaktion auf den Entwurf des Abfallwirtschaftsplan gibt es bereits von den Grünen. Deren Bürgerschaftsabgeordneter Ralf Fücks sprach von einer „Menge ebenso wohlklingender wie unverbindlicher Absichtserklärungen“, die in „krassem Gegensatz“ zur bisherigen Politik des Senats stünden. om