Was suchen Castros Soldaten in Afrika?

Die Kubaner sind seit 1975 in Angola militärisch präsent Sind sie „internationalistische Brigaden“ oder nur Moskaus „fünfte Kolonne“?  ■  Von Knut Pedersen

Als Che Guevara im Januar 1964 auf dem afrikanischen Kontinent nach revolutionären Orten suchte, traf er in Dar -es-Salaam einen jungen Angolaner, der ihm offen widersprach. Der „foco“ sei nicht Zaire, im Herzen Afrikas, sondern das portugiesische Kolonialreich, erklärte ein gewisser Jonas Savimbi, der gerade einen Schellkurs als Guerillakämpfer in Maos China absolviert hatte. Drei Jahre nach dem Tode Patrice Lumumbas und den „revolutionären“ Unruhen im ehemals belgischen Kongo war das alles andere als unbestreitbar. Was konnte Vergleichbares schon in Guinea -Bissau, Mosambik oder Angola geschehen? In Savimbis angolanischer Heimat waren im Februar 1961 14 Portugiesen in den „musseques“, den Slums von Luanda, getötet worden. In grausamer Vergeltung hatte die portugiesische Kolonialarmee Hunderte von Afrikanern niedergemacht. Danach herrschte wieder Ruhe.

Jonas Savimbi sollte gleichwohl Recht behalten. Im Januar 1975, elf Jahre nach der Unterredung in Dar-es-Salaam, stimmte Portugal der Entlassung Angolas in die Unabhängigkeit zu. 50.000 Soldaten, die jahrelang ein Viertel des portugiesischen Staatshaushaltes gekostet hatten, überließen das Land einer militärisch schwachen und politisch heillos zersplitterten Guerilla. Dem 13jährigen nationalen Befreiungskampf sollten weitere 13 Jahre Bürgerkrieg folgen: Wenn die am 22.Dezember in New York unterzeichneten Abkommen respektiert werden, dann ziehen im Laufe der kommenden 27 Monate ebenfalls rund 50.000 Kubaner aus Angola ab. Sie haben die südafrikanischen Destabilisierungsversuche zum Scheitern gebracht, aber überlassen das Feld einer gleichwohl ungewissen Zukunft. Unter anderem, weil im ostangolanischen Busch noch immer jener „afrikanische Guerillero“ kämpft, der Che widersprach und seit Jahren mit dem Teufel - Südafrika - paktiert: Jonas Savimbi, Führer der UNITA-Rebellen.

Was haben die Kubaner von Afrika und seinen „revolutionären Widersprüchen“ begriffen? Oder geht es darum gar nicht, weil das Expeditionskorps von der Zuckerinsel nicht mehr den Idealen Ernesto „Che“ Gueveras folgt, sondern in Moskaus Diensten als Afrikakorps fungiert? Tatsache ist, daß die kubanische Militärpräsenz in Angola seit der „Operation Carlota“ im November 1975 immer stärker geworden ist: Von 15.000 Mann im Juli 1976 ist das Kontingent auf 52.000 angewachsen, das heißt, auf ein Fünftel der gesamten kubanischen Streitkräfte. Im Laufe der 13 vergangenen Jahre sind insgesamt mehr als 300.000 Kubaner in Angola „im Einsatz“ gewesen. Derzeit kostet die Militäroperation im südwestlichen Afrika jährlich umgerechnet rund 800 Millionen Mark.

Was hat die Kubaner, wie es Castro im Februar letzten Jahres formulierte, „in diesen dreckigen Krieg“ gezogen? Der „Militarismus der südafrikanischen Rassisten“, lautet die offizielle Antwort, die den „heroischen Akt praktizierten Internationalismus'“ als Notwehr gegen das Apartheidregime darstellt. Nicht ohne Grund: Selbst eine Studie des Zentrums für Strategische und Internationale Studien (CSIS) in Washington kommt zu dem Schluß, daß Castros Soldaten in Afrika unter anderem „internationalistisches Prestige“ erkämpfen. Das ist nicht überall so heroisch wie in Angola: In Äthiopien schlagen sich die „Barbudos“ vor allem darum, nicht in den „dreckigen Krieg“ in Eritrea gezogen zu werden, und in Benin, im Kongo, in Uganda und Mosambik dienen sie nur als Palastwache.

Sind Kubas Soldaten letztlich nur Moskaus „fünfte Kolonne“ auf dem afrikanischen Kontinent? Das ist oft behauptet worden, und es stimmt, daß Waffen, Transport und Logistik der kubanischen Militäroperationen von der Sowjetunion gestellt und bezahlt werden. Es bleibt gleichwohl ein beachtlicher Rest, der im weltpolitischen Ost-West-Kalkül nicht aufgeht: Die „Operation Carlota“ wurde von Kuba in Gang gebracht; Ende der 70er Jahre wollten kubanische Generale von Mosambik aus gegen Rhodesien marschieren, und 1987 schmiedeten sie Pläne für einen Blitzkrieg gegen die südafrikanischen Besatzungstruppen in Namibia.

Fidel Castro hat fünf Kremlführer und sieben US-Präsidenten überlebt. Das relativiert die unbestreitbare Macht Michail Gorbatschows, der den „lider maximo“ gegen dessen Willen zum bedingten Abzug aus Angola gezwungen hat. Der Chef der kubanischen Revolution, in dessen Augen „Perestroika“ und „Glasnost“ nur „kleinbürgerliche Abweichungen“ sind, ist ein „Chef“ im afrikanischen Sinne: Er verwandelt bescheidene Macht in Dauer und - auf Dauer - in Geschichte.