Der große Gospelkreuzzug des Herrn Bonnke

Ein Deutscher wirkt in Kenia als Speerspitze des Evangeliums und sagt den Eingeborenen, wo es langgeht / Als Wunderheiler gefeiert, als Geschäftemacher beargwöhnt / Gerade die Ärmsten sollen spenden, denn der Herr zahlt zurück  ■  Aus Nairobi Uwe Hoering

„Kommet rechtzeitig und erwartet ein Wunder“ hatte der westdeutsche Prediger Bonnke gelockt. Zigtausende sind an diesem Sonntag zum großartigen Abschluß des siebentägigen „Großen Gospel-Kreuzzugs“ in Nakuru seinem Ruf gefolgt, die gleiche Resonanz wie einige Wochen zuvor in der Hauptstadt Nairobi. Viele Frauen, in Sonntagskleidern und mit bunten Kopftüchern, andere die Haare kunstvoll zu Zöpfchen geflochten, Halbwüchsige, Mütter, die ihr Jüngstes in ein Tuch gewickelt auf dem Rücken tragen, Väter mit dem Sohn auf den Schultern, alte Männer in abgetragenen Sonntagsanzügen oder Regenmänteln, mittendrin eine alte Frau im Rollstuhl. Es herrscht Festtagsstimmung. Hoch über der Bühne ein großes Transparent: „Jesus heilt gebrochene Herzen“.

Ein Conferencier sagt Dank, Dank an Politiker, Provinzbeamte, Polizei, Stadtrat, Stadtwerke, „Gott segne sie für ihre Unterstützung“. doch vor allem dankt er Präsident Daniel arap Moi, „unserem geliebten Bruder“. Halleluja. „Ich nenne ihn Bruder, weil er gerettet ist und Gott liebt.“ Kenias Staatschef hatte bereits am ersten Tag des „Kreuzzugs“ den Weg aus der Hauptstadt Nairobi nach Nakuru gefunden und einen erfolgreichen Auftakt erlebt. Mindestens 14 Menschen waren im Anschluß an Reverend Reinhard Bonnkes Gebete und Predigt auf die Bühne geklettert und hatten erklärt, sie seien wundersam geheilt worden, von Geschwüren in der Brust die einen, von Blindheit und Lahmheit die anderen.

Schon bald ist es „Zeit für die Kollekte“, wie der Conferencier forsch verkündet. Das Geld bitte nur in die roten Körbe mit der Aufschrift „CfaN“, Bonnkes Organisation „Christen für alle Nationen“ mit Hauptsitz in Frankfurt. Die Wahrung ist notwendig, haben sich doch an den Vortagen Betrüger eingeschlichen und in den fremden Fischgründen für die eigene Tasche gesammelt.

„Die Bibel sagt: Gebet, und Euch wird gegeben werden“, versucht der Conferencier die Spendenfreudigkeit anzustacheln. Und deshalb sollten gerade die geben, die glauben, sie wären zu arm, denn sie werden es vielfach zurückbekommen. Zum Beispiel Gesundheit. Oder Erfolg im Beruf. „Ich bin nicht wegen der Schillinge nach Kenia gekommen“, wird Bonnke später versichern und das Geld evangelikalen Kirchen zur Verfügung stellen, „ich kam wegen eurer wertvollen Seelen, Amen.“

Wie uneigennützig Bonnke durch Afrika - gestern Malawi, heute Kenia, morgen Nigeria - reist, zeigt sich daran, daß nach Angaben der Veranstalter die Kollekte nie die Ausgaben für die hochprofessionelle Show und Anzeigenkampagne - eine Woche Nairobi zum Beispiel 100.000 US-Dollar - deckt. Ein christliches Zuschußgeschäft also? Doch wer zahlt dann? Oder noch ein Wunder, eine wunderbare Kollekten-Vermehrung? Aus Nairobi soll Bonnke umgerechnet 400.000 Mark mit nach Hause genommen haben. Angesichts des Schweigens der Veranstalter blühen die Gerüchte.

Dann der Auftritt Bonnkes: „Gottes Antwort auf die heutige Welt“, aus deutschen Landen frisch auf die Bühne. Eine mobile Speerspitze des Evangeliums, von deren Attacke sich Kirchen vor Ort den Zutrieb von neuen Gläubigen erhoffen. Strahlend wie ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat winkt er den Massen zu, tausend Hände winken zurück. „Gott gibt euch heute einen ganz besonderen Segen.“ Der Segen gilt auch für die Zuschauer zu Hause an ihren Bildschirmen.

Sein Übersetzer agiert wie sein Schatten, imitiert den Tonfall, wiederholt seine Gesten. Amen, Halleluja - eine Atempause. Weiter geht die Show, das Stakkato der Worte kommt jetzt schneller, nahtlos der Übergang zur Übersetzung. Der Reverend blickt zum Himmel, zieht seine Worte bedeutungsvoll in die Länge, steigert die Spannung durch erzählerische Verzögerung.

Das Publikum winkt, wenn Bonnke winkt, schreit Amen und Halleluja, wenn Bonnke Amen und Halleluja ruft, lacht über eingeflochtene Witzchen. Abschließend die Erfolgskontrolle. „Wieviele von euch sind heute neu geboren worden?“ Alle Hände gehen hoch. Bonnke dankt Jesus, Halleluja. Lobet den Herrn.

Doch dieser Auftritt hat ein wundersames Nachspiel ganz ungewohnter Art. Der bekannte kenianische Theologe Njoya moniert öffentlich, daß Bonnke seinen Schäfchen keine praktische Lebenshilfe anbietet. Außerdem ärgert ihn, daß wieder einmal ein Weißer den Afrikanern erklärt, wo es langgeht, im Himmel und auf Erden - und das dann auch noch stundenlang von der „Kenias“ auf allen Kanälen live übertragen.