Ohrfeigen für die Kollegen Finanzrichter

■ Oberverwaltungsgericht Bremen stellt Selbstverständlichkeiten zur Pressefreiheit klar / Finanzgerichts-Präsident Eckhard Ranft hatte Publikation exclusiv bedient, deren Hauptschriftleiter er ist

Nehmen wir mal an, der Pressesprecher des Bürgermeisters wäre gleichzeitg, im Nebenamt sozusagen, Chefredakteur der taz. Nehmen wir weiter an, er würde statt der dienstäglichen Pressekonferenz über die Ergebnisse der Senatssitzung eine Neuerung einführen und seiner Zeitung die zur Veröffentlichung freigegebenen Informationen exclusiv weitergeben. Beschwerden von Radio Bremen und des Weser Kuriers würde er mit der Auskunft bescheiden, erstens sei er taz-Chef nur als Mensch und nicht als Senatspressesprecher und zweitens bestünde sowieso keine Verpflichtung alle Presseorgane auf die gleiche Art und Weise zu informieren. Wie würde das Verwaltungsgericht entscheiden?

Nun war es nicht der Senatspressesprecher aber immerhin

kein geringerer als der Präsident des Bremer Finanzgerichtes, Eckhard Ranft, der auf diese Weise mit der Informationspflicht umging. Ranft ist Hauptschriftleiter der Fachpublikation „Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)“. Wenn er oder seine Kollegen in Bremen ein Urteil für veröffentlichungswürdig erachteten, dann geschah das auch, eben in der EFG. Keine Frage, daß einer anderen Fachpublikation, dem „Steuertip“, diese Exclusiv-Praxis heftig mißfiel. Sie erhob im September 1986 Klage vor der 2. Kammer des Bremer Verwaltungsgerichts. Ein pikantes Verfahren, denn nun mußte das Verwaltungsgericht über eine Sache entscheiden, bei der Kollegen und der Senator für Justiz, Beklagte waren. „Steuertip“ unterlag.

In dem Urteil, das am 29.3. zu

gestellt wurde, heißt es unter anderem, die Richter machten lediglich privaten Gebrauch von der ihnen dienstlich verfügbaren Entscheidung. Also sei die Veröffentlichungspraxis nicht als Justizverwaltungshandeln zu qualifizieren. Auch daß sich die Richter offensichtlich über diese Praxis einig waren, sei kein Justizverwaltungshandeln, sondern dem Bereich „kollegiale Zusammenarbeit zuzuordnen“.

Folgte also die 1. Instanz der Argumentation des Kollegen Finanzrichters, liest sich das jetzt veröffentlichte Urteil des Oberverwaltungsgerichtes wie eine schallende Ohrfeige für die Kollegen: „Das Ersuchen um bevorzugte Ausfertigung und Zustellung von Entscheidungen, die in EFG veröffentlicht werden sollen, stellt eine offene Indienstnahme der Geschäftsstellentätigkeit der Finanzgerichte für die Zwecke eines privaten Unternehmens dar. Die privatwirtschaftlichen Interessen der dem S-Verlag verbundenen Richter bieten für die eingeforderte Vorzugsstellung keine sachliche Rechtfertigung.“ Ob die Richter ihr fachjournalistisches verdientes Zubrot weiterverdienen werden, scheint zweifelhaft: „Es ist ... Sache namentlich des Senators für Justiz und Verfassung, diese Praxis umgehend zu unterbinden...“

Und da sich die Finanzgerichtsbarkeit über Jahre der Pres

sefreiheit gegenüber als ausgesprochen zugeknöpft erwiesen, schoben die Oberverwaltungsrichter gleich noch eine Erinnerung an Selbstverständliches hinterher: „Es liegt im übrigen aber gar kein Anlaß zu der Vermutung vor, die Richter des Finanzgerichtes könnten auch nur erwägen, dem Ersuchen des Dienstherren ... nicht ohne weiteres nachzukommen.“

Begründet wird diese Ent

scheidung mit Selbstverständ lichkeiten, die zur Wahrung der Pressefreiheit einzuhalten sind. So hat eine Behörde, wenn sie sich zur Veröffentlichung von Informationen entschließt, diese grundsätzlich allen interessierten Pressevertretern in gleicher Weise zugänglich zu machen. Ob der Behörde dabei die Zeitung oder der betreffende Journalist nicht paßt, spielt keine Rolle. Ein Vorenthalten von Informationen

beschränke Pressevertreter in der Ausübung des Grundrechtes auf Pressefreiheit. Wenn die Informationen zudem anderen Vertretern der Presse überlassen würden, komme es zu einer gleichheitswidrigen Benachteilung.

Eine Revision hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Lediglich gegen diesen Beschluß ist eine Beschwerde möglich.

Holger Bruns-Kösters

Az.: OVG 1 BA 32/88)