Ohne Kippe ins Neue Jahr

■ Streetworkerinnen waren in Kneipen unterwegs, um RaucherInnen vor der Gefahr zu retten

„Ja, was macht der denn dann, unser Minister - Blüm oder wie der heißt - wenn's keine Raucher mehr gibt? Der Staat braucht doch das Geld!“ Trotz vorbereitender psychologischer Schulung hatte sie mit einem solchen Argument nicht gerechnet, die hübsche junge Studentin (natürlich. sezza) mit dem adretten weißen Anorak, auf dem bunt das Zeichen „dhp“ mit einem lachenden Herzen aufgedruckt ist. Etwas irritiert antwortet sie: „Ja, es raucht aber doch keiner, damit es dem Staat gut geht!“ „Nee, ick roche steuerfrei“, grummelt ein anderer. Die Szene spielte in einer winzigen Spandauer Eckkneipe, die bis zum Jahreswechsel drei Wochen lang regelmäßig von solch schlagfertigen sympathischen Mädels in jenen sauberen Uniformjacken heimgesucht worden war. Insgesamt zwölf „Streetworkerinnen“ waren für die „Deutsche Herz- Kreislauf-Präventionsstudie“ (dhp) in Spandau unterwegs, von Kneipe zu Lokal zu Restaurant zu Kneipe, um dortige Gäste vor offensichtlich gefüllten Aschenbechern sitzend, oder gar mit glimmenden Stengeln zwischen den Fingern darauf aufmerksam zu machen, daß ein eventuell zum Jahreswechsel gefaßter Vorsatz, das Rauchen wieder aufzugeben, doch sehr gesund sei. Verteilt wurden Fragebögen zum Raucherverhalten und Gesundheitsbewußtsein „Kreuzen Sie bitte an: Wieviel tun Sie für ihre Gesundheit? Nichts X), und Kugelschreiber mit aufgedruckter Telefonnummer. Unter dieser Nummer können sich die Angesprochenen ausführlich und individuell über Raucherentwöhnungsprogramme beraten lassen.

Das Angebot ist attraktiv. Von A wie Akupunktur bis Z wie Zehn-Tage-Schnellkurs oder Zehn-Wochen-Therapie, über betreuende Beratung für S wie Sofortaufhörer - solche, die von einem Tag zum anderen (oder Schlag Null Uhr Neujahr) aufhören wollen, ist an alle Entschlossenen gedacht. Ziel ist, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Das ist allerdings ein Fernziel. Das Nahziel ist erreicht, wie Peter Lang, Psychologe der Spandauer Sektion der vom Bundesgesundheitsministerium geförderten bundesweiten Studie, versichert. Von 2.000 verteilten Fragebögen kamen 1.500 ausgefüllt zurück, und davon haben 23 Prozent um weitere Informationen und Ausstiegshilfen gebeten.

Hartnäckige Raucher wollte man gar nicht erst überzeugen, man war auf der Suche nach jenen, die ohnehin schon an Ausstieg gedacht haben. Aber die müssen gefunden werden, und so wurde in Spandau die „Streetworkerinnen„-Idee geboren ein- und erstmalig als Nichtraucheraktion

Mußten die Agitatorinnen nun alle besonders gesund und fit aussehen? Peter Lang: „Nein, das nicht. Wichtig war die kommunikative Kompetenz der Frauen. Wir brauchen Charme, Redegewandheit und Schlagfertigkeit.“ Und warum waren alle zwölf junge, hübsche Frauen? Peter Lang lacht verlegen: „Es ging uns um Attraktivität und Glaubwürdigkeit beim Ansprechen der Raucher. Das wird Frauen eher abgenommen. Ich glaube nicht, daß das Chauvi-Verhalten ist.“

Germaine Bortfeldt