Stellenabbau auch bei Nixdorf Berlin

■ Bei den Betriebsräten herrscht Unsicherheit / Fluktuation in der Belegschaft soll zur Kostensenkung beitragen, Bewerbungen von außen werden nicht mehr berücksichtigt / Konzernsprecher: Telefonanlagen sind kein Verlustgeschäft

Von bis zu 6.000 Nixdorf-Arbeitsplätzen in Berlin war einst die Rede. Diese Zahl wird auf unabsehbare Zeit ein Traum bleiben - denn das ins Straucheln gekommene Paradepferd unter den bundesdeutschen Computerherstellern wird auch hier Arbeitsplätze abbauen. Udo Böhnke, Betriebsratsvorsitzender der Nixdorf Computer Systems (NCS) im Wedding, geht davon aus, daß zwar niemand entlassen, aber die Fluktuation unter den Beschäftigten auch nicht mehr ausgeglichen wird. Diese Fluktuation betrage bei Nixdorf ungefähr vier Prozent jährlich. Zugleich werde es wohl zu Versetzungen innerhalb der Betriebe kommen, sagte Böhnke. Die NCS beschäftigt 1.200 der insgesamt 2.000 NixdörflerInnen in Berlin und stellt u.a. Bildschirme, Telefonanlagen und Magnetplatten her.

Insgesamt will das Management „in naher Zukunft“, so eine Erklärung vom Montag, 1.600 der weltweit 30.000 Arbeitsplätze einsparen. Wieviele davon genau auf Berlin entfallen - rechnerisch wären es etwa 80 - und welche Firmen - oder Produktbereiche davon betroffen werden, ist derzeit noch unklar. Ulrich Franke, Chef des Nixdorf -Gesamtbetriebsrats und als solcher auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, erklärte auf Anfrage der taz nur, daß in Gesprächen mit der Konzernleitung an einer „internen Lösung“ des Problems gearbeitet werde - ohn Entlassungen. „Ein klares Ja“ gab Gert Schukies, der Pressesprecher des Computerbauers, nur auf die Frage, ob Nixdorf seine Beteiligung an der „Gesellschaft für neue Berufe“ im Wedding beibehalten wolle. Die einzusparenden Stellen ließen sich aber nicht auf einzelne Standorte herunterrechnen. Ohne einzelne Werke zu nennen, sagte Schukies: „Ganz sicherlich werden wir uns von einigen Bereichen trennen.“

„Wir sind noch über nichts informiert worden. Angst ist aber schon vorhanden“, sagt Hartmut Nollendorf, Betriebsratsvorsitzender der Nixdorf Mikroprozessor Engineering (NME) in Tegel mit 500 Beschäftigten. Die Angst ist durch eine inzwischen dementierte Zahlenangabe im 'Spiegel‘ ausgelöst worden, der von weltweit 5.000 abzubauenden Stellen berichtet hatte. Die NME-Beschäftigten, die vor allem Computerkassen und Kommunikationssysteme für Büros entwickeln, sieht Nollendorf aber nicht als gefährdet an: „Die Marktchancen als Software-Entwickler sind nicht schlecht.“ Je mehr der KollegInnen ausscheiden, um so sicherer werden die Arbeitsplätze der Verbliebenen. Betriebswirtschaftlich günstig sei das nicht nur durch den Wegfall der zusätzlichen Personalkosten, sondern es läßt sich auch das Durchschnittseinkommen der hochbezahlten SpezialistInnen senken: Immer mehr Gehalt mußte bezahlt werden, um noch neue Leute in den Nixdorf-Dienst nach Berlin holen zu können. Die ständig erhöhten Einstiegsgehälter fallen nun weg. Schon vor zwei Monaten seien die Personalplanungen revidiert worden, ist aus dem Betriebsrat der Nixdorf Software Engineering (NSE) zu erfahren: Seither werden nur noch interne BewerberInnen berücksichtigt.

Der'Spiegel‘ hatte auch berichtet, Nixdorf würde die digitalen Telefonanlagen mit Verlust verkaufen, um mit Siemens konkurrieren zu können. An diesen Anlagen wird auch in der NCS in Berlin gebaut. Während Betriebsrat Böhnke lediglich volle Auslastung in der Produktion meldete, dementierte Pressesprecher Schukies auch gleich diese 'Spiegel'-Meldung: Auch diese Systeme würden mit Gewinn verkauft.

IG-Metall-Sprecher Detlev Prinz erinnerte daran, daß allein Siemens im abgelaufenen Geschäftsjahr mehr als 1.000 Arbeitsplätze in Berlin abgebaut habe.

Das Kriterium Arbeitsplätze sei nicht ausschlaggebend, sagte jedoch Thomas Mickeleit, Pressesprecher von Wirtschafts- und Arbeitssenator Pieroth. Die Branche bestehe nicht nur aus Siemens und Nixdorf. Wenn sie nicht mehr wirtschaftlich produzieren könnten, müsse ein Strukturwandel nicht unbedingt negativ sein. „Daraus zu schließen, es sei mit der Telekommunikation zu Ende, ist falsch - eher das Gegenteil.“

diba