Renault aus der staatlichen Vollkasko-Versicherung raus

Unternehmen bleibt aber in Staatsbesitz und wird keine Aktiengesellschaft Schulden über 12 Milliarden Franc erlassen / EG-Zustimmung steht noch aus  ■  Von Ulli Kulke

Der bislang quasi unter Vollkaskoversicherung gegen Pleiteschäden fahrende Automobilkonzern Renault muß im neuen Jahr vorsichtiger gelenkt werden. Die französische Regierung entzog dem Staatsunternehmen zu Silvester die Zusage, es durch öffentliche Mittel garantiert am Leben zu halten. Diese Aufkündigung brachte dem Autokonzern allerdings noch eine hübsche Abfindung ein: Paris erläßt Schulden in Höhe von zwölf Milliarden Franc (3,5 Mrd. Mark), die beim Staatshaushalt aufgelaufen waren. Wie alle größeren Subventionen riecht auch dieser Erlaß zunächst mal nach Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EG-Automobilbranche und bedarf daher der Zustimmung seitens der EG-Komission in Brüssel, und die steht noch aus.

Aus Brüssel kam bereits einmal das Plazet zur Vernichtung des Zwölfmilliarden-Deckels - jedoch unter einer Bedingung, von der Paris bei seiner jetzigen Entscheidung freilich nichts mehr wissen wollte: Der als Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Betrieb sollte in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Die alte neo-gaullistische Regierung Chirac hatte in wirtschaftlich liberaler Manier nichts dagegen und ließ sich im Oktober 1987 auf diese Auflage ein.

Für die sozialistische Regierung, die inzwischen das Ruder übernommen hat, ist die Schaffung einer privatwirtschaftlichen Unternehmensstruktur in einem Mammut -Konzern von 136.000 Beschäftigten etwas anderes, zumal wenn sie in ihren Regierungsgeschäften von den Kommunisten abhängig ist, die von einer „Societe Anonyme“ schon gar nichts hält. Daß das gesamte Aktienpaket vorerst noch in Staatsbesitz verbleiben, und die ersten Anteile (rund zehn Prozent) Ende 1989 erstmal der Belegschaft angeboten werden sollten, war dabei kein Trost. Um die letzten Zweifel auszuräumen, stattete eine Delegation der kommunistischen Gewerkschaft CGT noch kurz vor der Entscheidung zum Schuldenerlaß der Regierung einen Besuch ab, jene Gewerkschaft also, die erst kürzlich durch wochenlange Streiks im Nahverkehrssektor ihre Position verdeutlicht hatte.

Die sozialistische Regierung Chirac entschloß sich schließlich zu einem Kompromiß: Die Gesellschaft bleibt eine solche des öffentlichen Rechts („Regie“), wird aber künftig dem Gesetz 241 unterstellt, das sie dazu verdonnert, genauso zu wirtschaften wie jedweder Privatbetrieb - spätere Pleiten nicht ausgeschlossen.

Die Streichung der zwölf Milliarden bringt beileibe noch keine komplette Entschuldung, es verbleiben Miese in Höhe von 28 Milliarden Franc. Dabei wurden 1987 zum ersten Mal seit 1980 Gewinne eingefahren (3,7 Milliarden Franc). Die 1984 unter den Neo-Gaullisten eingeleitete Rationalisierung wird nun auch unter Rocard weitergetrieben: Bis 1990 soll die Belegschaft nur mehr 60 Prozent des damaligen Höchststandes betragen.

Mit der Silvester-Entscheidung geht eine 44jährige Ära besonders privilegierter Beziehungen Renaults zu dem französischen Haushalt zu Ende. Anfang 1945 hatte General de Gaulle im Parlament eine Verordnung zur Verstaatlichung des Konzerns durchgesetzt, die allerdings nicht in erster Linie auf wirtschaftlichen Erwägungen basierte. Dem Präsidenten des 1898 gegründeten und 1922 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens, Louis Renault, wurden nach dem Krieg zu enge Kontakte mit der deutschen Besatzungsmacht vorgeworfen. Der gesamte Industriebesitz Renaults ging damals in Staatsbesitz über.

Zusammenarbeit mit Toyota

Inzwischen bahnt sich eine neue Dimension in den französisch -japanischen Automobilbeziehungen an, die bislang vor allem von strengen Einfuhrbeschränkungen für die fernöstlichen Produkte im Lande der Renaults, Citroens und Peugeots geprägt waren. Die französischen Zeitungen berichteten zu Wochenbeginn von einer sich anbahnenden Zusammenarbeit Renaults mit Toyota. Danach sei daran gedacht, ab Mitte der 90er Jahre gemeinsam Geländewagen und Pick-Up-Laster in Kolumbien zu produzieren. Außerdem bereite man für März ein Abkommen vor, wonach ab 1993 in einem Renault-Werk in Frankreich jährlich 100.000 Automobile gebaut werden sollen. Ein Konzernsprecher meinte zwar, man möge die Meldungen mit Vorsicht genießen, bestätigte aber, daß man hinsichtlich einer Produkton in Lateinamerika mit mehreren Konkurrenten im Gespräch sei, darunter auch Toyota. Nachrichten-Agenturen wollen wissen, daß das Staatsunternehmen unter anderem auch mit dem südkoreanischen Hyundai-Konzern verhandele, wie auch mit Chrysler, das ja bereits über Simca in Frankreich einen Fuß drin hat.