Kriegshauptquartier Bärbel im Buntsandstein

„Durchschlagfeier“ im neuen Nato-Bunker im Pfälzer Wald / In Ruppertsweiler gibt es eines der größten Nato-Bauvorhaben / Im Kriegsfall soll hier das Hauptquartier der Nato untergebracht werden / Fertigstellung bis 1992 geplant  ■  Von Wolfgang Bartels

Ruppertsweiler (taz) - „Nato Bierkeller 500 m“ - die auf ein Baustellenschild gekritzelten Buchstaben weisen den Weg zu einem der größten Bauvorhaben der Nato. Mitten im Pfälzer Wald, bei Ruppertsweiler in der Nähe von Pirmasens, wurden riesige Stollen durch ein Bergmassiv, den „Großen Arius“, gesprengt. Zwischen Baubuden und Maschinen sammeln sich Herren in feinem Tuch oder Uniform. Sie sind eingeladen zur „Durchschlagfeier“. Sie sollen Ohrenzeugen der letzten Sprengung im Stollen werden und dürfen das freudige Ereignis im örtlichen Schützenhaus auf Staatskosten begießen.

Sechs Meter hoch und ebenso breit öffnet sich am Hang des Großen Arius der Stollen wie ein riesiges Maul, in dem nach und nach die Prominenz verschwindet. Über dem Eingangsportal hängt ein Schild mit dem Names des Bauwerks: „Tunnel Bärbel“. Bärbel hat es in sich. Lange Zeit wurde versucht, den Zweck der Anlage geheimzuhalten. In der Nachbarschaft war nur bekannt, daß die Nato der Bauherr ist und daß es sich um eine „Stollenanlage“ handele. Doch was ist eine „Stollenanlage“? In Ruppertsweiler sprach man bald unverblümt von einem neuen Nato-Kriegshauptquartier. Im September 1985 dementierte jedoch der damalige Verteidigungsstaatssekretär Würzbach im Bundestag: „Informationen, daß in Ruppertsweiler ein neues Nato -Hauptquartier entstehen soll, sind nicht zutreffend.“

Ein Jahr später wurde das Dementi Würzbachs von einem Bundeswehroffizier dementiert. In der 'Pirmasenser Zeitung‘ erklärte als Sprecher der 4.Alliierten Taktischen Luftflotte (4.ATAF) Major Claus Rosenbauer: „Die beiden Hauptquartiere der Nato, die Heeresgruppe Mitte und die 4.ATAF, die in Heidelberg stationiert sind, bleiben nur im Friedensfall dort. Im Verteidigungsfall gibt es für sie mehrere Möglichkeiten sich zurückzuziehen, etwa nach Ruppertsweiler.“ Der „gehärtete Bunker“ sei im übrigen keine Kriegsvorbereitung, sondern „direkte Verteidigungsvorbereitung“.

Zwei Jahre lang bebte rund um die Großbaustelle in regelmäßigen Abständen die Erde. Tag und Nacht trieben österreichische Spezialisten die Stollen in das Buntsandsteinmassiv. Entstanden ist ein ganzes System von Gängen und Hohlräumen, ein überdimensionierter Fuchsbau mit mehreren Ausgängen.

Die Ehrengäste marschieren durch den Tunnel Bärbel, angeführt von der „Tunnel-Patin“ Barbara Flieger-Seitz. Nach rund 500 Metern, hinter einer militärtaktisch angelegten Biegung, öffnet sich ein Gewölbe. Der Bauleiter stimmt die Gäste ein: „Hier fühlt man sich feierlich und beklommen wie in einem Dom.“ Die erhabene Stille wird jäh zerrissen durch eine Explosion: die letzte Sprengung anläßlich der „Durchschlagfeier“. Der Leiter des verantwortlichen Staatsbauamtes Landau, Josef Niggemann, erinnert sich noch gerne an den „Urknall“, die Sprengung anläßlich der Anschlagfeier: „Damals ist es eine so heftige Detonation gewesen, daß uns die Schnapsgläser noch lange in den Händen gezittert haben.“

Seit dem „Urknall“ wurden 100.000 Kubikmeter Ausbruchmaterial weggeschafft. 120 Meter unter dem Gipfel des Großen Arius wurde eine unterirdische Anlage mit einer Fläche von zwei Fußballfeldern aufgefahren. Nach der letzten Sprengung beginnt der Ausbau der Hohlräume zu ihrem eigentlichen Zweck. 120 Millionen Mark soll das ganze Bauwerk kosten.

Über den Zweck der Anlage spricht an diesem Morgen niemand. Der Staatsbauamtschef redet von einem „funktionstüchtigen Dienstgebäude, für dessen Nutzung ein Ernstfall aber nie gegeben sein sollte“. Der Projektoffizier Knut Wiesel von der 4.ATAF nimmt mit dem Begriff „Verteidigungsanlage“ Vorlieb. Der Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums, Ministerialdirigent Elmar Göbel, spricht von den „neuen, in den Berg vorgetriebenen Räumlichkeiten“. Der US -Luftwaffenoberst Cathey macht nicht so große Umschweife. Im Amerikanischen heißt das Projekt einfach „War Headquarter“ Kriegshauptquartier. In einem „Fact Sheet“, das Major Wiesel verteilt, wird die Aufgabe der 4.ATAF allerdings unverblümt beschrieben: „Der Hauptauftrag dieses Stabes besteht darin, den Nato-Luftraum in Mitteleuropa sichern zu helfen, die Luftüberlegenheit zu gewinnen und aufrechtzuerhalten, Feindkräfte zu vernichten und den Landstreitkräften in seinem Zuständigkeitsbereich Luftunterstützung zu leisten. Der Stab muß ferner taktische Informationen zur leichteren künftigen Bekämpfung von Zielen anfordern und die Wirksamkeit offensiver Einsätze beurteilen.“

Fertiggestellt sein soll die Anlage 1992. Unbeeindruckt von Abrüstungsverhandlungen hält die Nato daran fest, ihre Militärdoktrin in Beton zu gießen. Dabei darf der Segen des katholischen Standortpfarrers Heinz Christ aus Zweibrücken natürlich nicht fehlen. Er sei begeistert von der Anlage. Und vor dem Gebet noch ein Seitenhieb auf die Kritiker: Dem barmherzigen Samariter sei es gerade darum gegangen, bedrohtes Leben zu schützen. „Das ist der Sinn des Christentums, und das ist der Sinn dieser Anlage. Amen!“