Sonntagsarbeit wird gesellschaftsfähig

■ FDP-Vorsitzender Lambsdorff hält Sonntagsarbeit in Einzelfällen für nötig / IG-Chemie-Chef Rappe weist Spaltungsvorwurf zurück / CSU für flexible Arbeitszeit von Montag bis Samstag

Bonn (ap/dpa) - Der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff hält es für notwendig, daß in einigen Industriebranchen auch sonntags gearbeitet wird, lehnt die generelle Einführung der Sonntagsarbeit aber ab. Im Saarländischen Rundfunk sagte Lambsdorff am Dienstag, „in sehr begrenztem Umfang“ solle darüber nachgedacht werden, ob und wo am Sonntag gearbeitet werden müsse. Allerdings dürfe dieser Tag „nicht zum beliebigen Dienstag oder Donnerstag gemacht werden“.

Der FDP-Chef sagte, auch angesichts des Wettbewerbs in den europäischen Ländern komme die Bundesrepublik nicht um eine begrenzte Sonntagsarbeit herum. Das sehe auch der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Chemie, Hermann Rappe, sehr deutlich. Lambsdorff forderte in diesem Zusammenhang die IG Metall auf, darüber nachzudenken, ob sie sich nicht „eines Besseren zu besinnen“ habe.

Einerseits vereinbare der mehrheitlich aus IG-Metall -Mitgliedern bestehende Betriebsrat von IBM in Stuttgart mit dem Unternehmen für die Chip-Produktion Sonntagsarbeit, andererseits klage die Metallgewerkschaft beim Arbeitsgericht gegen den Betriebsrat. Neben technischen Gründen gebe es jedoch auch wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Gründe, etwa in der Textilindustrie, die für eine „ganz begrenzte Anzahl“ der Beschäftigten Sonntagsarbeit notwendig machten, sagte Lambsdorff.

Als „einigermaßen böswillig“ Rappe gestern im NDR-Radio Niedersachsen den Vorwurf bezeichnet, er treibe mit seinem Vorschlag, über Sonntagsarbeit nachzudenken, einen Keil in die Gewerkschaften. Es gehe ihm in erster Linie um eventuell zu beantragende Ausnahmegenehmigungen für Wochenend- und auch Sonntagsarbeit. Er wolle, daß die Tarifparteien miteinander verhandeln und daß die Diskussion über die Wochenendarbeit nicht den Betriebsparteien überlassen werde.

Vor einem „Dammbruch“ bei der Sonntagsarbeit hat der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Alois Glück, gewarnt. Er forderte am Dienstag in München, die Sonn- und Feiertagsarbeit über das geltende Recht hinaus nicht weiter auszudehnen. Es könne nicht Ziel der CSU-Politik sein, den Sonntag ohne zwingende Gründe zu einem allgemeinen Arbeitstag zu machen. Der CSU-Politiker plädierte gleichzeitig für eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit von Montag bis einschließlich Samstag und eine „deutliche Unterscheidung zwischen Samstags- und Sonntagsarbeit“.