: Polizei räumt Berliner FU-Institut
Zum ersten Mal seit Beginn des Studentenstreiks wurden BesetzerInnen von der Polizei abgeführt ■ Aus Berlin Brigitte Fehrle
Gestern vormittag ließ der Präsident der Freien Universität Berlin erstmals seit Beginn des Studentenstreiks ein Institut polizeilich räumen. Gegen 9.30 Uhr fuhren mehrere Mannschaftswagen vor dem Gebäude der Mediziner vor. Der Dekan der Universität forderte die etwa 20 BesetzerInnen auf, das Gebäude zu verlassen. Unterstützt wurde er dabei von Polizeibeamten in Zivil und Uniformierten. Die Räumung verlief „friedlich“. Anzeigen oder gar Festnahmen gab es keine. Die StudentInnen waren von dem Polizeieinsatz völlig überrascht. Sie hatten erst für Anfang nächster Woche mit dem Besuch der Polizei gerechnet.
Das geräumte Gebäude der Freien Universität beherbergt das Institut für Physiologie und Biochemie des Fachbereichs Medizin. Die Räumung gerade jetzt, mitten in den Ferien, begründet FU-Präsident Heckelmann mit der Approbationsordnung für Ärzte. Wenn nicht in der nächsten Woche die Seminare und Praktika anliefen, sei für eine Vielzahl von StudentInnen die ärztliche Vorprüfung in Gefahr, weil dann die vorgeschriebene Mindestzahl von Veranstaltungen einschließlich der Nachholtermine nicht mehr eingehalten werden könnten. Die Universität sei hier auch bei den Verwaltungsgerichten in der Verantwortung, sagte Heckelmann gestern. Bereits vor Weihnachten hatten fünf Medizinstudenten vor dem Verwaltungsgericht geklagt und Recht bekommen. Für sie wurden exklusiv Seminare und Praktika außerhalb der Universität angeboten.
Polizei fuhr gestern auch vor der Technischen Fachhochschule auf. Doch vor einem Einsatz schreckte Vizepräsident Sodan noch zurück. Der Lehrbetrieb wird von den StudentInnen zum Teil weiter boykottiert, Vorlesungen gesprengt. Ein Gebäude der TFH ist weiter besetzt. Die Präsidenten aller Berliner Universitäten und Fachhochschulen (außer der Hochschule der Künste) hatten bereits vor Weihnachten angekündigt, den Vorlesungsbetrieb ab dem 9.Januar mit Polizeigewalt durchzusetzen. Allerdings, so hoffte Wissenschaftssenator Turner (CDU), gehe man davon aus, daß die StudentenInnen nicht länger streiken würden. Anfang Januar nämlich sollen die 20 Millionen Mark Soforthilfe, die der Bund und das Land Berlin im Dezember zur Verfügung gestellt haben, wirksam werden. Von dem Geld werden hauptsächlich Lehrbeauftragte bezahlt und zusätzliche Räume angemietet.
Die StudentInnen allerdings haben deutlich gemacht, daß es ihnen um mehr geht als die Verbesserung von Studienbedingungen. Die Forderung nach mehr Mitbestimmung an der Universität ist unüberhörbar. Und die ist der Wissenschaftssenator keinesfalls gewillt zu erfüllen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen