Exportkontrollen im Parteienchor

Nach den jüngsten Skandalen wollen alle neue Paragraphen, wissen aber nicht wie / Wirtschaftliche und politische Interessen stehen jedoch im Widerspruch zu wirksamen Kontrollen  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Das Außenwirtschaftsgesetz, seine „Lücken“ oder ein „Defizit im Vollzug“ - ein Dauerbrenner der Bonner Diskussion seit Monaten, genährt durch eine Kette von tatsächlichen oder vermeintlichen Exportskandalen. Alfred Hempels „Schweres Wasser“ in die weite Welt, Tornados nach Jordanien, eine Tritium-Anlage nach Pakistan, dubiose Chemie-Fabriken im Irak und jetzt womöglich in Libyen - allzu häufig kamen derartige Spitzen des Eisbergs bundesdeutscher Exporte in den vergangenen Monaten ans Licht. Da sich nun auch im Ausland die negativen Schlagzeilen häufen, ruft der Bonner Parteienchor nach neuen Paragraphen und Behörden, in unterschiedlicher Tonlage.

Als sich das Kabinett in der Vorweihnachtszeit mit den beiden jüngsten Export-Affären befaßte, stand just noch die Bewältigung einer älteren auf der Tagesordnung: Verabschiedet wurde am 20.Dezember der Entwurf einer Novelle zum Außenwirtschaftsgesetz, die unter anderem durch die gerichtlichen Niederlagen gegenüber den am Irak-Geschäft beteiligten Chemie-Firmen motiviert wurde: Sicherheits- und außenpolitisch begründete Ausfuhrbeschränkungen, die nicht bereits durch internationale Vereinbarungen festgeschrieben sind, sollen nun per Gesetz geregelt werden, nachdem die Bundesregierung mit einer bloßen Rechtsverordnung vor Gericht Schiffbruch erlitten hatte. Die Duplizität der Ereignisse in dieser Kabinettssitzung - man sprach schon von Libyen und dachte noch an den Irak - ließ nun fälschlicherweise den Eindruck entstehen, die Regierung würde nach dem Wink aus Washington „zügig“ handeln, wie die 'FAZ‘ lobend aber falsch notierte. Die Gesetzesnovelle sieht außerdem eine Straferhöhung vor, wie sie in vergleichbaren anderen Exportländern bereits Usus ist. Zu den neuesten Skandalen um die hessische Firma NTG und die Lahrer Chemie -Firma Imhausen beauftragte das Kabinett wiederum die Abteilungsleiter-Runde der betroffenen Ressorts, zu prüfen, welche weiteren Gesetzeslücken zu stopfen seien und wie die Behörden effizienter kontrollieren könnten. Dieses ohnehin bestehende Gremium, das für Minister Haussmann eine Vorlage erarbeiten soll, wurde der Öffentlichkeit hochtrabend als vom Kabinett eingesetzte „Kommission“ präsentiert, eine Bezeichnung, von der sich das Wirtschaftsministerium mittlerweile distanziert. Einen „ersten Bericht“ will Haussmann nun dem Kabinett am 10.Januar vorlegen, zwei Monate, nachdem Bundeskanzler Kohl in Washington vom Libyen -Verdacht informiert wurde.

Wie die Export-Kontrollen tatsächlich verschärft werden können, ohne politische und wirtschaftliche Interessen ernsthaft zu tangieren, bleibt vorerst unklar. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, daß bereits in den vergangenen Jahren zum Beispiel die Genehmigungspflicht für militärisch verwendbare Chemieanlagen enger gefaßt wurde. Den jüngsten Libyen-Verdacht ficht das hingegen nicht an: Denn das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn, für die Genehmigungen zuständig, prüft nur Papiere, die ihm eingereicht werden. Wird ihm nichts eingereicht, prüft es auch nichts.

Das kann dann nur der Zoll an der Grenze tun, der im Ruf steht, dafür keine ausreichende Kenntnis zu haben, aber 1988 immerhin für 10.000 Waren, die ihm zweifelhaft schienen, beim Bundesamt zurückfragte.

Wie immens der Berg von sensiblen Gütern ist, der pro Jahr mit Genehmigung - also die illegalen Exporte nicht gerechnet - die BRD verläßt, zeigt ein Blick auf die Zahlen: 1987 wurden für knapp 30 Milliarden Mark Waren, die auf dem Ausfuhr-Index stehen, exportiert. Das sind rund zehn Prozent der Exporte in Nicht-EG-Länder.

Der SPD-Wirtschaftsexperte Wolfgang Roth fordert statt einer weiteren Aufblähung der Liste genehmigungspflichtiger Güter eine „drastische Reduzierung“, um dann wenigstens diesen Kernbereich effektiv zu kontrollieren. Das Wirtschaftsministerium hält dagegen, dieser Kernbereich sei nicht das Problem, sondern das weite Feld der „doubleuse„ -Produkte, nutzbar für zivile und militärische Zwecke. Die Grünen fordern deshalb eine „Umkehrung des Verfahrens“ vom Grundsatz her: Eine Kontrolle bei den Firmen vor Ort durch das Bundesamt für Wirtschaft, ohne darauf zu warten, ob sich die Firmen zu einem Export-Antrag bequemen.