Wenn im Empack der Wurm ist ...

■ ... und Herr Asendorpf vor Madagaskar liegt / Vom gestern gescheiterten Versuch, einem streikenden Computer eine halbwegs alltägliche Frühstückslektüre abzuringen

Mittwoch abend 18.15 Uhr, taz-Redaktion: Der Koordinator hat heute, welch seltenes Ereignis, allen Grund, mit den AutorInnen zufrieden zu sein. Alle Texte sind geschrieben, selbst der Kommentar ist schon in Arbeit. Ausnahmsweise kein Grund zur Redaktions-Schluß-Panik. Wenn, ja wenn da nicht die Konfiguration des „Empack“ wäre. Was das ist? Na eben das ist das Problem. Spezialisten in Frankfurt, Berlin oder Hamburg sind aushäusig und deshalb nicht erreichbar, und der allwissende Kollege Asendorpf liegt vor Madagaskar. Die taz -Kollegen im Hause dagegen können „Konfiguration im Empack“ lediglich mit „im Computer ist der Wurm“ übersetzen. Bei weitem keine ausreichende Analyse für eine fachgerechte Reparatur.

Selbst in einer solchen Lage gibt es wenigstens zwei mögliche Verhaltensweisen. Entweder resignieren und nach getaner Tagesarbeit ohne Arbeitsergebnis nach Hause gehen, (der Koordi

nator gesteht, daß er dieser Auffassung zuneigte), oder versuchen zuretten, was zu retten ist. Da der Kollege Wolschner sich bereits seit Stunden auf diese Alternative vorbereitet hat, nagut, dann los.

Um zu verstehen, was dann geschah, muß ein kleiner Exkurs in den technischen Ablauf der taz-Produktion eingeschoben werden. Also: Da ist erst einmal das redaktionsinterne Textsystem. Für manchen schon dies ein Wunderwerk derTechnik. Hier können Texte erfaßt, auf die richtige Länge gebracht und Seitenpläne erstellt werden. Allein, das genügt nicht. Die Texte sollen schließlich raus aus der Redaktion, über die Druckerei zu den AusträgerInnen. Das geht normalerweise mittels eines einfachen Drucks auf die Taste PF3. Nur: PF3 bewirkt an diesem Mittwoch abend schlicht gar nichts. So als wolle man einen Tennis-Ball durch eine Wasserleitung pressen, es geht nicht. Wenn das

Rohr nicht größer zu machen ist, überlegt Kollege Wolschner, dann muß man den Ball eben zu einer klitzekleinen Kugel machen. Und jetzt geht's los und zwar so: Da hat beispielsweise der Kollege Schloesser einen 140 Zeilen langen „Aufmacher“ über eine Zwangsräumung produziert. Dieser muß jetzt in feinekleine Einzelteile von je acht Zeilen auseinander gefieselt und in diesen kleinen Bröckchen auf den Weg geschickt werden. Das ist bei K.S. bestenfalls ein Halbsatz. An einem anderen Bildschirm sitzt dann Kollege Wolschner und bemüht sich, konzentriert, aber dennoch hektisch die Tasten drückend, das Puzzle zu einem einigermaßen sinnvollen Ganzen zusammenzufügen.

Da aber nicht nur Aufmach 1-18 zusammengesetzt werden müssen, sondern auch Petra Höfer inzwischen Erotik 1-12 auf den Weg durchs Rohr schickt und Sabine Tietjen Bunte 1-25 und Asyl 1-14 und Mengen Sonstiges

PF-dreit, zudem inzwischen auch der Drucker ausgefallen und damit nicht einmal mehr eine Kontrolle möglich ist, nimmt der gute Versuch zunehmend groteskere Formen an.

Doch immerhin: Wir wissen zwar nicht so genau, welche Texte am nächsten Tag wie in der Lokal-taz stehen werden, aber drei Seiten haben wir eine halbe Stunde nach Sendeschluß, so um 19.55 Uhr, per Datenfernleitung

in die Druckerei nach Pinneberg geschickt. Optimimus stellt sich ein, Fröhlichkeit gar ob der aberwitzigen Aktion. Bis das rote Telefon klingelt, Druckerei Pinneberg: „Also wir haben da einen Text, das kann man nicht lesen, da steht was übereinander. Und auf der Seite 20 sind große weiße Löcher. Soll das so sein?“ - Das soll natürlich nicht so sein. Aber das mußte so bleiben. Auf ein Neues.

Holger Bruns-Kösters